Dienstag, 6. Oktober 2015

Neuengamme auf DVD

Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hat nebenbei den Effekt, dass auch das cineastische Wirken der DDR einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden kann. Denn seit einigen Jahren gibt es das so genannte DDR TV-Archiv. Unter diesem Aufmacher sind inzwischen eine Reihe recht interessanter Filme auf DVD erschienen, die sich mit verschiedener Thematik des Dritten Reiches auseinandersetzen. Die meisten dieser Filme sind im bundesrepublikanischen Fernsehen noch nie gezeigt worden. Dazu gehört auch „Der Mann von der Cap Arcona“.

Dieser Film ist sicherlich kein Meisterwerk, aber er versucht ansatzweise etwas von einer Katastrophe zu erzählen, die von einem realen Überlebenden der „Cap Arcona“ erzählt wird –
Erwin Geschonneck.

Geschonneck war Häftling im KL Neuengamme; er war Blockältester, obwohl er nur einige Monate in Neuengamme gewesen ist. Und er überlebte den Luftangriff auf die „Cap Arcona“ in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945 unbeschadet.

In der DDR war er einer der bekanntesten Schauspieler. Allerdings ist die Person m.E. etwas rätselhaft. Geschonneck spielte Anfang der fünfziger Jahre auch die Hauptrolle in dem Film „Das Beil von Wandsbek“. Es ist die Romanverfilmung von Arnold Zweig, nach dem sich ein Hamburger Schlachter von den Nazis und dem Duft von Geld verleiten lässt, vier Kommunisten mit einem Beil hinzurichten. Seiner Frau erzählt er davon nichts; das behält er schön für sich. Aber nach „getaner Arbeit“ kommt es allmählich heraus was er getan hat. Von dem „Blutgeld“ kauft er neues Inventar für seine Schlachterei. Alle wundern sich, wo auf einmal das Geld dafür herkommt. Nach und nach bleiben die Kunden aus. Es wird gemunkelt, der Schlachter habe sich von den Nazis kaufen lassen, für eine gewissenlose Tat. Nach anfänglichem Schweigen erzählt er seiner Frau dann doch davon, und die kann mit dieser Schmach nicht leben und bringt sich um. Und er, der Schlachter, kann nicht ohne seine Frau weiterleben, und erschießt sich.

Berücksichtigt man den Aspekt, dass Geschonneck selbst ein Verfolgter des NS-Regimes gewesen ist (KPD), und dass er in Konzentrationslagern eingesperrt war, dann fällt es einem schwer zu verstehen, warum sich dieser Schauspieler für eine derartige Rolle hergeben konnte.

Anders verhält es sich in dem Film „Der Mann von der Cap Arcona“. Zu diesem Zeitpunkt (1982) war Geschonneck einiges älter, vielleicht auch weiser, als wie 1951.

Es soll ein Film über das letzte Kapitel der „Cap Arcona“ gedreht werden. Und wer wäre dafür besser geeignet als Herr Geschonneck? Genau. Und so lädt man Geschonneck nach Hamburg ein um dort mit den Dreharbeiten zu beginnen. Warum man allerdings den Namen Geschonneck zu Gregorek in dem Film geändert hat, wird wohl ein Rätsel bleiben. Jedenfalls schreitet man voran indem Spielszenen entworfen werden, denn authentisches Filmmaterial von diesem Ereignis gibt es nicht. Gregorek wird immer wieder mit Erinnerungen geplagt, die in nachgespielten Szenen kurz eingeworfen werden. Und er trifft auch einige der damaligen „Anti-Faschisten“ wieder (Jupp Händler ist im Film kurz zu sehen). So nehmen die Dinge ihren Lauf, bis der Regisseur und Gregorek die Gedenkstätte Neuengamme aufsuchen (wenn man überhaupt diesen Ort seinerzeit so bezeichnen konnte). Gregorek hat Schwierigkeiten sich diesem Ort erneut zu stellen, wo so viel furchtbares geschehen ist. Er überwindet sich aber, und der Film zeigt einige Sequenzen des ehemaligen KZs von 1981/82, also kurz nach dem das Dokumentenhaus eröffnet wurde, das auch flüchtig zu sehen ist. Es wurde offenbar ganz bewusst darauf verzichtet die Justizvollzugsanstalten nicht auf Zelluloid festzuhalten.

Auf einmal ist für Gregorek wieder alles präsent. Vor seinen Augen läuft ein Film ab, der ihn in seine Haftzeit von Neuengamme zurückversetzt. Und er erinnert sich auch an die Kinder. Die zehn Mädels und zehn Buben, mit denen man experimentiert hat, und die im Laufe der Evakuierung des Lagers auf grausame Art und Weise ermordet worden sind (die Gedenkstätte Bullenhuser Damm wird ebenfalls im Film gezeigt). Gregorek will, dass das Kapitel der Kinder mit in den Film eingearbeitet wird. Der Regisseur weiß von all dem nichts. Es ist ihm völlig neu was den Kindern einst widerfahren ist, und er will es nicht in dem Film unterbringen. In seinem Film ginge es um die „Cap Arcona“ und nicht um die Kindermorde, argumentiert er. Gregorek ist am Ende. Das kann er nicht verstehen. Er wird diesen Film nicht machen, setzt sich in den Zug und fährt zurück nach Ostdeutschland.

Dieser Film ist wohl eher eine moralische Ermahnung daran, nicht zu vergessen was die Nazis Menschen angetan haben, als eine wahre Geschichte zu erzählen. Dennoch wurde der Film vom Regisseur Lothar Bellig geschickt inszeniert. Und eigentlich ist es nur indirekt ein DDR-Film, denn gefilmt wurde vollständig in Hamburg.

Bei Geschonneck gewinnt man den Eindruck, dass er das Erlebte in Neuengamme lange Zeit verdrängt hat, und spät zu der Einsicht gekommen ist, wie nachteilig es vielen seiner Mithäftlinge ergangen ist. In seinen eigenen Erinnerungen ist immer nur davon zu hören, welches Leid er selbst erfahren hat, und mit was für einer Bravour er überlebt hat. Als Blockältester hat er praktisch Kenntnis von nahezu allen Verbrechen gehabt, und deshalb wird er kaum so gelitten haben, wie einige seiner Kameraden. Wer über 100 Jahre alt geworden ist, der kann sich in seinem Leben nicht wirklich viel zu Herzen genommen haben.

Ein interessanter und ordentlich gemachter Film mit einem suspekten Hauptdarsteller.



Von dem ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme gibt es kaum historisches Filmmaterial. Das verwundert zunächst, denn die Engländer haben jedes Lager gefilmt, welches sie betreten haben, besonders Belsen sei hier erwähnt. Der Grund dafür war klar, dass was die Briten dort vorfanden, musste für die Nachwelt erhalten werden, zu barbarisch waren die vorgefundenen Bilder.

Als die Briten jedoch Neuengamme erreichten war das Lager leer. Also kein Grund das Lager zu filmen. Kann sein. Vielleicht wurde das Filmmaterial aber noch nicht wiederentdeckt. Es gibt zwar ein paar wenige Einstellungen aus der Zeit des Internierungslagers, die den Appellplatz zeigen, mehr aber auch nicht. Auch die militärischen Gerichtsverfahren wurden von den Engländern gefilmt; Neuengamme wiederum offenbar nicht, obwohl es eines der größten und zeitlich längsten Verfahren gewesen ist.

Mitte der 50er Jahre kam eine deutsche Filmproduktion heraus, die aus vier Episoden bestand. Sie alle haben irgendwie mit der unmittelbaren Nachkriegszeit zu tun. Kaum jemand weiß allerdings davon, dass Szenen in eine dieser Episoden im ehemaligen KL Neuengamme gefilmt worden sind. Man muss sich allerdings sehr gut auskennen, um die Örtlichkeiten erkennen zu können.

Die erwähnte Episode in dem 1955 entstandenen Film „Heldentum nach Ladenschluß“ ist das erste Kapitel auf der DVD und trägt den Titel „Captain Fox“ und wird in der Hauptrolle von Harald Juhnke gespielt. Das eigentlich ehemals britische Internierungslager wird im Film kurzerhand zu einem amerikanischen Lager.

Die Geschichte des Films ist simpel gestrickt. Ein Internierter will aus dem Lager ausbüchsen, und bedient sich dabei einer einfältigen Methode, indem er mit Captain Fox wettet, dass er es schaffen wird aus dem Lager zu fliehen. Die Schilderung ist so platt wie die Vier- und Marschlande, so dass man damit offenbar, in diesem Fall die Amerikaner, als „dummdödelige“ Bewacher hinstellen wollte.

Gefilmt wurde hauptsächlich beim ehemaligen Industriehof und im SS-Lager.


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