Sonntag, 8. Juli 2012

Die Hamburger Polizei im Nationalsozialismus


Am 19. Januar 2012 eröffnete im Hamburger Rathaus wieder eine Ausstellung, dieses Mal war das Thema „Die Hamburger Polizei im Nationalsozialismus“, eine bis dato stiefmütterlich behandelte Materie. Nachdem diese Ausstellung im Februar bereits beendet wurde, erschien erfreulicherweise eine Broschüre mit dem Ausstellungsinhalt.

Herbert Diercks, Historiker und Fachmann in Sachen Gestapo, sowie Mitarbeiter der Gedenkstätte Neuengamme, zeichnet verantwortlich für diese Broschüre, die ich als lobenswerte Addition zur nationalsozialistischen Geschichte Hamburgs, als aber auch zum ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme erachte. Dieses Heft ist empfehlenswert und preisgünstig, allerdings mit einer Auflage von eintausend Stück, auch limitiert.

Ein Ereignis in diesem Heft machte mich allerdings stutzig, nämlich die Ermordung von 71 Fuhlsbüttel-Häftlingen in Neuengamme. Diercks kommt zu folgendem Fazit, Zitat: „Nach Kriegsende vermochten weder die britische Militärjustiz noch die Hamburger Staatsanwaltschaft, die Verantwortlichen dieser Morde zu überführen. Die Exekutionen der 71 Männer und Frauen blieben ungesühnt.“ Zitat Ende.

Diese Quintessenz ist offenbar darauf zurückzuführen, daß die Engländer ihre Urteile in Kriegsverbrecherprozessen nicht begründeten, da die britische Militärjustiz so etwas nicht vorsah. Das eine schließt bekanntlich das andere nicht aus, und natürlich wurden die Mörder dieser 71 Menschen angeklagt, überführt und hingerichtet. Denn diese Mordaktion vom April 1945 war ein wesentlicher Bestandteil gegen einige der vierzehn Angeklagten im ersten Neuengamme-Prozess von 1946.

Der Ankläger Major Stewart hatte eine Reihe von „Vorfällen“ in Neuengamme für seine Prozessführung bestimmt, darunter eben auch die bestialische Liquidierung von knapp sechs Dutzend Menschen. Im Endeffekt gestand der damalige Obersturmführer Anton Thumann seine maßgebliche Tat, wie auch weitere Beteiligte. Sie gaben es nicht unumwunden zu wie Thumann, aber ihre Mittäterschaft bzw. ihre Schuld geht aus den Prozessunterlagen deutlich hervor, so daß die Personen, die in diesen Morden verstrickt waren, explizit aus diesem Grund angeklagt worden sind. Die Anklagen gegen die vierzehn Kriegsverbrecher waren ja schließlich nicht individuell formuliert, sondern sie lautete für alle gleichermaßen: „… in der Zeit von Juni 1940 bis Mai 1945, als Verantwortliche des Konzentrationslagers Neuengamme, Kriegsverbrechen begangen zu haben, indem sie die Gesetze und Gepflogenheiten des Krieges missachteten. Sie sind beteiligt an der Ermordung und Misshandlung von Angehörigen der Alliierten Nationen, die Lagerinsassen des besagten Konzentrationslagers waren.“

Es stellt sich natürlich die Frage, die nicht näher beziffert wird, was Diercks mit „die Veranwortlichen“ tatsächlich meint. Diejenigen, die generell als Schreibtischtäter bezeichnet werden, oder diejenigen, die diese Morde ausgeführt haben. Diercks spricht von „ungesühnten Exekutionen“, und die wurden, wie in diesem Fall, von SS-Leuten ausgeführt. Ist nicht der Kommandant Max Pauly, der Schutzhaftlagerführer Thumann und seine Schergen gleichermaßen verantwortlich, wie diejenigen, die ihre Unterschrift unter ein Stück Papier gesetzt haben?