Donnerstag, 29. Oktober 2015

Ausstellungskataloge 2014

Bücher nach der Gutenbergschen Methode sind immer noch eine feine Sache. Man kann darin blättern, stöbern, lesen, staunen, sich wundern oder ärgern - apropos wundern: Als Anfang Mai 2014 endlich der neue Ausstellungskatalog in zwei Bänden feierlich bei einer Veranstaltung bei der Gedenkstätte Neuengamme vorgestellt wurde, haben sich alle gefreut. Na gut, fast alle.

Es hat lange gedauert, denn der letzte Katalog erschien 2005 und kann getrost als der schlechteste Katalog bezeichnet werden. Denn mit seinen Minimaltexten und dann auch noch dreisprachig; das war und ist eine recht enttäuschende Lektüre.

1989 bzw. 1991 erschien der erste, und für meinen Geschmack immer noch beste Katalog. Die Gedenkstätte Neuengamme wäre gut beraten gewesen, das Prinzip des ersten Katalogs fortzuführen. Aber leider ist man wieder nahezu ins alte Strickmuster des zweiten Katalogs zurückgefallen.

Gut ist es natürlich, dass ein neuer Katalog erschienen ist, und gut ist es auch, dass dieses Werk sehr umfassend ist. Über den Preis von 28€ kann man allerdings nicht erfreut sein. Desto günstiger eine derartige Publikation ist, umso mehr lässt sich davon absetzen. Aber diese Maxime der Marktwirtschaft verstehen die Macher eben nicht.

Zurück zum Anfang. Wundern muss man sich wirklich über die zahlreichen Unstimmigkeiten, die es in diesem Katalog gibt. Das ist ja schließlich keine 08/15-Produktion, sondern ein professionelles Druckwerk. Andernfalls dürfte dieser „Schinken“ nur ein paar Euros kosten. Man hat also Profis die Gestaltung machen lassen, und ein Lektorat hat es auch gegeben. Und damit komme ich dann zum Kern dessen, was eben nicht sein darf: Und das sind die Fehler im Text. Ich werde hier nicht sämtliche Fauxpas auflisten; die Verantwortung dabei liegt natürlich bei der Gedenkstätte, die bei kommenden Neuauflagen hoffentlich alle Fehler korrigieren wird. Unabhängig davon möchte ich denoch auf einige dieser „Schlampereien“ hinweisen.

Im Anhang beider Bände findet sich ein chronologischer Verlauf der Ereignisse von 1938-2014. Und auf Seite 379 (Band 1) und Seite 259 (Band 2) wird auf den ersten Neuengamme-Prozess hingewiesen. Abgesehen davon, dass diese Chronik überflüssigerweise in beiden Bänden abgedruckt wurde, so sind die Daten falsch (3.3.46-18.5.46); es muss genau anders herum lauten (18.3.46-3.5.46). Derjenige der das zu verantworten hat, hat entweder keine Ahnung, oder ist schusselig. Und der Lektor? Der hat auch nichts mehr gemerkt.

Was überhaupt nicht angehen kann ist auf Seite 37 (Band 2) leider doch geschehen. Der Text bricht auf einmal ab, und der Leser fragt sich: Ich will sofort mein Geld zurück!

Gleicher Band Seite 60. Die Todesdaten zu Trzebinski und Kitt sind falsch. Es sind die gleichen Fehler, wie sie auch in der Ausstellung zur Lager-SS zu finden sind und im Offenen Archiv. Es ist mir unbegreiflich weshalb in dieser aktuellen Publikation keine Korrektur vorgenommen wurde. Sämtliche Angeklagte im ersten Neuengamme-Prozess, dessen Urteil auf Todesstrafe lautete, wurden am 8.10.1946 gehängt. Gleicher Fehler auf Seite 83, und Seite 45 in Band 1. Es wurden einfach veraltete Texte kopiert und nicht überprüft.

Manche Namen von ehemaligen Häftlingen müssen geschützt werden. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. In Band 1 Seite 78/79 wird ein Häftling namens Hans G. vorgestellt; in Band 2 wird der Name vollständig ausgeschrieben.

Seite 29 Band 1 Satzfehler! Im letzten Absatz in der ersten Spalte
Dito Seite 52 Satzfehler! Unterer Absatz

Seite 49 und 111 Band 2. Die Behauptung Walter Eisfeld wäre Kommandant des KL Neuengamme gewesen ist Nonsens. Eisfeld verstarb bereits im April 1940 als es das eigenständige Lager noch gar nicht gab. Er kann allenfalls Führer des Arbeitslagers gewesen sein.

Seite 63 dto. Die Angaben zu Paul Meinhardt sind unvollständig falsch, obwohl sein Wehrpass seit Jahren im Internet angeboten wird und dort auch mit allen relevanten Daten abgebildet ist.

Ich glaube das reicht jetzt, um zu verdeutlichen, was hier für ein Mumpitz fabriziert wurde. Darüber hinaus sind aber auch andere Unregelmäßigkeiten enthalten, die der historischen Geschichte von Neuengamme widersprechen.

Eines noch. Die Grundfarbe des Katalogumschlags (und auch anderer Drucksachen der Gedenkstätte Neuengamme) sollte einmal gründlich überdacht werden.

Meine Damen und Herren der Gedenkstätte Neuengamme, falls Sie einmal einen Lektor benötigen, der von der Materie auch Ahnung hat, wenden Sie sich vertrauensvoll an mich.


Nachtrag: “Baby, what a big surprise!”
Die Kataloge gibts auch gratis zum Download. 
Band I
Band II

Sonntag, 18. Oktober 2015

Rekonstruktion strengstens verboten?

Gedenkstätten von ehemaligen Konzentrationslagern aus der NS-Zeit haben einen deutlichen Auftrag: Sie sollen dem interessierten Besucher u.a. vermitteln, um was für einen Ort es sich handelt, welche Bereiche es gegeben hat (Zwangsarbeit, Verwaltung, Schutzhaftlager etc); d.h. die architektonische Lagerstruktur und Lebensräume sollten klar erkennbar sein.

Das Ringen um eine „echte“ Gedenkstätte Neuengamme war äußerst zäh und geprägt von politischer Uneinsichtigkeit. Daher ist es nicht erstaunlich, dass der Hamburger Senat einen Beschluss verfasste, der besagt, dass in Neuengamme nicht rekonstruiert werden soll!

Rekonstruktion bedeutet, dass bestimmte Elemente, seien es Baracken, Zäune und dergleichen, in ihrer historischen Bedeutung wiederhergestellt werden; nicht um zu verdeutlichen wie so etwas ausgesehen hat, sondern wie es sich für den Besucher anfühlt.

Es ist also ein krasser Widerspruch, auf der einen Seite eine Neugestaltung der Gedenkstätte Neuengamme vorgenommen zu haben, unter dem Gesichtspunkt, dass die Hansestadt Hamburg in ihrer Nachkriegsgeschichte versucht hat, den Ort des ehemaligen KL Neuengamme für alle Zeiten verschwinden zu lassen, bzw. ihn abermals zu einem Ort der Schande deklassiert hat. Den Überlebenden selbst ist es zu verdanken, dass es heute ein uneingeschränkter Platz des Gedenkens geworden ist. Trotzdem sind bedeutsame Orte auf dem Gedenkstättengelände für immer verloren gegangen.

Nicht rekonstruieren zu wollen bedeutet daher nichts anderes, als darzulegen, dass das heute als harmlos erscheinende Gedenkstättengelände, mit seinen riesigen Grünflächen und Hunderten von Bäumen, die eher an einen Freizeitpark erinnern, für die damals massenhaft Inhaftierten nicht so schrecklich gewesen sein kann.


Auf der anderen Seite wird von vornherein eine authentische Darstellung des ehemaligen Lagers auf politischem Wege unterbunden. Was dabei ziemlich irritiert, ist die Feststellung, dass gleichwohl rekonstruiert wird. Zu diesem Befund kommt aber nicht nur der „Laie“, sondern auch die Fachleute. Denn einer der seinerzeit beteiligten Architekten bei der Umgestaltung der Gedenkstätte, hat unumwunden zugegeben, dass die vorgenommenen Rekonstruktionen einen Widerspruch zu der politisch gefällten Entscheidung darstellen.

Ein Bespiel: Bei der ehemaligen SS-Hauptwache, direkt neben den einzig überlebenden Wachturm, wurde ein sehr kleines Stück Lagerzaun nachgestellt. Ein paar spanische Reiter, etwas Stacheldraht. Diese Rekonstruktion ist leider unbefriedigend. Denn wie man auf historischen Fotos sehen kann, gab es vor dem Zaun noch etwa 1-1,5m Stachelstolperdraht (der sich ab ca. der Hälfte bei 45 Grad um ungefähr 50cm nach oben neigte), die den Häftling von vornherein davon abhalten sollte einen Fluchtversuch zu unternehmen. Des weiteren fehlen auch die Lampen, die in regelmäßigen Abständen am Zaun angebracht waren, und gibt es auch kein Hinweisschild, das darauf hinweist dass bei Fluchtversuch sofort und ohne Warnung scharf geschossen würde. Wenn man also den Weg einer Rekonstruktion sucht, dann sollte er auch den historischen Tatsachen entsprechen, hierzu mangelt es bei Verantwortlichen offenbar an Intelligenz. Da hilft es auch nicht, wenn es auf einer Schautafel erklärt wird, die sowieso vage formuliert wurde.

Wenn der Lagerzaun folglich eine so hohe Bedeutung hat, dass er rekonstruiert wurde, warum ist es dann in anderen Bereichen, die noch viel bedeutsamer sind, nicht möglich eine Rekonstruktion vorzunehmen? An den finanziellen Mitteln kann es nicht liegen, da die Gedenkstätte Neuengamme u.a. jedes Jahr vom Bund mit einer ¾ Million Euro bedacht wird.

Die Gedenkstätte Neuengamme sollte sich vielleicht den Begriff Rekonstruktion etwas genauer betrachten. Im Duden kann man dazu folgendes finden: … den ursprünglichen Zustand wiederherstellen oder nachbilden.

Die einzigen Rekonstruktionen in Neuengamme, die einigermaßen gelungen sind, ist der Appellplatz und die Steinhäuser (Hauptausstellung; Verwaltung-Archiv etc). Aber weder die Nachbildung der Tongrube oder das Eisenbahngleis kann als authentisch angesehen werden.

Wer bei der Gedenkstätte Sachsenhausen einmal eine Baracke betreten hat, der weiß was ich meine. Stickige Luft. Kein Mobiliar. Eine leere Baracke. Aber dennoch macht sich beim betreten augenblicklich ein mulmiges Gefühl breit. Darum muss es gehen. Der Besucher sollte das Gefühl eines Häftlings einigermaßen nachempfinden können. So etwas ist in Neuengamme nicht möglich. Man sieht die Gabionen und viele zerschredderte Steine. Das ist Symbolik, aber keine plastische Darstellung der Lebensräume der Häftlinge.

In Neuengamme gibt es eigenartiger Weise nicht ein historisches Gebäude welches für die Besucher zugänglich ist. Nicht das Klinkerwerk, nicht der Wachturm, nicht die Luftschutzbunker, nicht das Waltherwerk (teilweise schon), nicht das Kommandantenhaus. Lediglich die Ausstellungsgebäude sind logischer Weise begehbar. Das es auch anders geht, zeigen Gedenkstätten, die eine bewusstere Pragmatik verfolgen. In Neuengamme war es eben schon immer irgendwie anders.

Manche „Rekonstruktionen“, die aber schon vor dem Senatsbeschluss errichtet wurden, sind etwas eigenartig. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass es bei Führungen immer wieder Besucher gegeben hat, die sich diese seltsamen Metallkonstruktionen, die es zweimal auf dem Gelände gibt, nicht erklären können. Ein kleines Hinweisschild könnte hier Abhilfe schaffen. Für den vierten Wachturm, der das Schutzhaftlager desgleichen flankiert hat, gibt es weder ein Eisengestell, noch eine Gabione, und auch keinen Hinweis darauf.

Es sind aber nicht nur die gravierenden Lebensbereiche die dargestellt werden müssen, sondern auch Orte der Zwangsarbeit. Wie z.B. der Standort der ehemaligen DAW, der Deutschen Ausrüstungswerke. Wer diesen Ort im Südosten des Lagerareals aufsucht findet dort nichts, außer ein Stück brachliegendes Land, das im Sommer von unglaublichen Gewächsen überwuchert wird. Natürlich gibt es eine Schautafel, dessen Kommentar allerdings zu wünschen übrig lässt. Die Zwangsarbeit, die dort in den Baracken vollzogen wurde, muss viel bedeutungsvoller herausgestellt werden. Ich halte es für äußerst ratsam, diesem verwahrlosten Ort etwas mehr Gleichstellung zu anderen Zwangsarbeitsstellen einzuräumen.

In Neuengamme gab es auch eine so genannte Hundestaffel, die aus einigen Dutzend Vierbeinern bestand. Für die Häftlinge stellten sie immer wieder eine große Gefahr dar, vor allem wenn ein Häftling beim Appell fehlte, dann hat man nicht nur im Lager nach ihm gesucht, sondern auch außerhalb. Und auch die nächtlichen Patrouillen dürften von Hunden begleitet gewesen sein. Man weiß sehr genau wo diese Hunde untergebracht waren, aber einen Hinweis sucht der Besucher auf dem Gelände vergebens.

Ich könnte noch viele andere Beispiele anführen, die deutlich machen, dass die Gedenkstätte Neuengamme noch einiges nachzuholen hat, bis man greifbar davon reden kann, dass das Areal mit allen seinen Facetten würdig erschlossen worden ist und dem Besucher ein wirklich reelles Bild vom ehemaligen KL Neuengamme vermittelt wird.

Dienstag, 6. Oktober 2015

Neuengamme auf DVD

Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hat nebenbei den Effekt, dass auch das cineastische Wirken der DDR einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden kann. Denn seit einigen Jahren gibt es das so genannte DDR TV-Archiv. Unter diesem Aufmacher sind inzwischen eine Reihe recht interessanter Filme auf DVD erschienen, die sich mit verschiedener Thematik des Dritten Reiches auseinandersetzen. Die meisten dieser Filme sind im bundesrepublikanischen Fernsehen noch nie gezeigt worden. Dazu gehört auch „Der Mann von der Cap Arcona“.

Dieser Film ist sicherlich kein Meisterwerk, aber er versucht ansatzweise etwas von einer Katastrophe zu erzählen, die von einem realen Überlebenden der „Cap Arcona“ erzählt wird –
Erwin Geschonneck.

Geschonneck war Häftling im KL Neuengamme; er war Blockältester, obwohl er nur einige Monate in Neuengamme gewesen ist. Und er überlebte den Luftangriff auf die „Cap Arcona“ in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945 unbeschadet.

In der DDR war er einer der bekanntesten Schauspieler. Allerdings ist die Person m.E. etwas rätselhaft. Geschonneck spielte Anfang der fünfziger Jahre auch die Hauptrolle in dem Film „Das Beil von Wandsbek“. Es ist die Romanverfilmung von Arnold Zweig, nach dem sich ein Hamburger Schlachter von den Nazis und dem Duft von Geld verleiten lässt, vier Kommunisten mit einem Beil hinzurichten. Seiner Frau erzählt er davon nichts; das behält er schön für sich. Aber nach „getaner Arbeit“ kommt es allmählich heraus was er getan hat. Von dem „Blutgeld“ kauft er neues Inventar für seine Schlachterei. Alle wundern sich, wo auf einmal das Geld dafür herkommt. Nach und nach bleiben die Kunden aus. Es wird gemunkelt, der Schlachter habe sich von den Nazis kaufen lassen, für eine gewissenlose Tat. Nach anfänglichem Schweigen erzählt er seiner Frau dann doch davon, und die kann mit dieser Schmach nicht leben und bringt sich um. Und er, der Schlachter, kann nicht ohne seine Frau weiterleben, und erschießt sich.

Berücksichtigt man den Aspekt, dass Geschonneck selbst ein Verfolgter des NS-Regimes gewesen ist (KPD), und dass er in Konzentrationslagern eingesperrt war, dann fällt es einem schwer zu verstehen, warum sich dieser Schauspieler für eine derartige Rolle hergeben konnte.

Anders verhält es sich in dem Film „Der Mann von der Cap Arcona“. Zu diesem Zeitpunkt (1982) war Geschonneck einiges älter, vielleicht auch weiser, als wie 1951.

Es soll ein Film über das letzte Kapitel der „Cap Arcona“ gedreht werden. Und wer wäre dafür besser geeignet als Herr Geschonneck? Genau. Und so lädt man Geschonneck nach Hamburg ein um dort mit den Dreharbeiten zu beginnen. Warum man allerdings den Namen Geschonneck zu Gregorek in dem Film geändert hat, wird wohl ein Rätsel bleiben. Jedenfalls schreitet man voran indem Spielszenen entworfen werden, denn authentisches Filmmaterial von diesem Ereignis gibt es nicht. Gregorek wird immer wieder mit Erinnerungen geplagt, die in nachgespielten Szenen kurz eingeworfen werden. Und er trifft auch einige der damaligen „Anti-Faschisten“ wieder (Jupp Händler ist im Film kurz zu sehen). So nehmen die Dinge ihren Lauf, bis der Regisseur und Gregorek die Gedenkstätte Neuengamme aufsuchen (wenn man überhaupt diesen Ort seinerzeit so bezeichnen konnte). Gregorek hat Schwierigkeiten sich diesem Ort erneut zu stellen, wo so viel furchtbares geschehen ist. Er überwindet sich aber, und der Film zeigt einige Sequenzen des ehemaligen KZs von 1981/82, also kurz nach dem das Dokumentenhaus eröffnet wurde, das auch flüchtig zu sehen ist. Es wurde offenbar ganz bewusst darauf verzichtet die Justizvollzugsanstalten nicht auf Zelluloid festzuhalten.

Auf einmal ist für Gregorek wieder alles präsent. Vor seinen Augen läuft ein Film ab, der ihn in seine Haftzeit von Neuengamme zurückversetzt. Und er erinnert sich auch an die Kinder. Die zehn Mädels und zehn Buben, mit denen man experimentiert hat, und die im Laufe der Evakuierung des Lagers auf grausame Art und Weise ermordet worden sind (die Gedenkstätte Bullenhuser Damm wird ebenfalls im Film gezeigt). Gregorek will, dass das Kapitel der Kinder mit in den Film eingearbeitet wird. Der Regisseur weiß von all dem nichts. Es ist ihm völlig neu was den Kindern einst widerfahren ist, und er will es nicht in dem Film unterbringen. In seinem Film ginge es um die „Cap Arcona“ und nicht um die Kindermorde, argumentiert er. Gregorek ist am Ende. Das kann er nicht verstehen. Er wird diesen Film nicht machen, setzt sich in den Zug und fährt zurück nach Ostdeutschland.

Dieser Film ist wohl eher eine moralische Ermahnung daran, nicht zu vergessen was die Nazis Menschen angetan haben, als eine wahre Geschichte zu erzählen. Dennoch wurde der Film vom Regisseur Lothar Bellig geschickt inszeniert. Und eigentlich ist es nur indirekt ein DDR-Film, denn gefilmt wurde vollständig in Hamburg.

Bei Geschonneck gewinnt man den Eindruck, dass er das Erlebte in Neuengamme lange Zeit verdrängt hat, und spät zu der Einsicht gekommen ist, wie nachteilig es vielen seiner Mithäftlinge ergangen ist. In seinen eigenen Erinnerungen ist immer nur davon zu hören, welches Leid er selbst erfahren hat, und mit was für einer Bravour er überlebt hat. Als Blockältester hat er praktisch Kenntnis von nahezu allen Verbrechen gehabt, und deshalb wird er kaum so gelitten haben, wie einige seiner Kameraden. Wer über 100 Jahre alt geworden ist, der kann sich in seinem Leben nicht wirklich viel zu Herzen genommen haben.

Ein interessanter und ordentlich gemachter Film mit einem suspekten Hauptdarsteller.



Von dem ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme gibt es kaum historisches Filmmaterial. Das verwundert zunächst, denn die Engländer haben jedes Lager gefilmt, welches sie betreten haben, besonders Belsen sei hier erwähnt. Der Grund dafür war klar, dass was die Briten dort vorfanden, musste für die Nachwelt erhalten werden, zu barbarisch waren die vorgefundenen Bilder.

Als die Briten jedoch Neuengamme erreichten war das Lager leer. Also kein Grund das Lager zu filmen. Kann sein. Vielleicht wurde das Filmmaterial aber noch nicht wiederentdeckt. Es gibt zwar ein paar wenige Einstellungen aus der Zeit des Internierungslagers, die den Appellplatz zeigen, mehr aber auch nicht. Auch die militärischen Gerichtsverfahren wurden von den Engländern gefilmt; Neuengamme wiederum offenbar nicht, obwohl es eines der größten und zeitlich längsten Verfahren gewesen ist.

Mitte der 50er Jahre kam eine deutsche Filmproduktion heraus, die aus vier Episoden bestand. Sie alle haben irgendwie mit der unmittelbaren Nachkriegszeit zu tun. Kaum jemand weiß allerdings davon, dass Szenen in eine dieser Episoden im ehemaligen KL Neuengamme gefilmt worden sind. Man muss sich allerdings sehr gut auskennen, um die Örtlichkeiten erkennen zu können.

Die erwähnte Episode in dem 1955 entstandenen Film „Heldentum nach Ladenschluß“ ist das erste Kapitel auf der DVD und trägt den Titel „Captain Fox“ und wird in der Hauptrolle von Harald Juhnke gespielt. Das eigentlich ehemals britische Internierungslager wird im Film kurzerhand zu einem amerikanischen Lager.

Die Geschichte des Films ist simpel gestrickt. Ein Internierter will aus dem Lager ausbüchsen, und bedient sich dabei einer einfältigen Methode, indem er mit Captain Fox wettet, dass er es schaffen wird aus dem Lager zu fliehen. Die Schilderung ist so platt wie die Vier- und Marschlande, so dass man damit offenbar, in diesem Fall die Amerikaner, als „dummdödelige“ Bewacher hinstellen wollte.

Gefilmt wurde hauptsächlich beim ehemaligen Industriehof und im SS-Lager.