Freitag, 28. Juli 2017

KZ-Häftlinge auf dem Bergedorfer Friedhof


Was haben KZ-Häftlinge auf dem Bergedorfer Friedhof verloren?

Folgt man dem Gräbergesetz, so ist die Sachlage vollkommen klar. Nur wer ein Kriegsopfer gewesen ist, hat einen Anspruch auf dem Gräberfeld des Zweiten Weltkriegs ein Kreuz zu bekommen.

Ein Kriegsopfer (im Sinne des Gräbergesetzes) ist jedoch nur, wer durch Kriegseinwirkungen (z.B. Bombenangriff) sein Leben gelassen hat. Diejenigen Menschen, die unter der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten gelitten haben, müssen durch Gewalt zu Tode gekommen sein, um sie als Kriegsopfer anzuerkennen. Es reicht nicht aus, dass sie z.B. Zwangsarbeit für Deutschland geleistet haben und gewaltlos gestorben sind. Wenn dem so wäre, dann müsste es auf dem Bergedorfer Friedhof Hunderte von Zwangsarbeitergräbern geben. Das ist nicht der Fall.

Insgesamt sieben KZ-Häftlinge sind auf dem Gräberfeld zu finden. Es sind die einzigen KZ-Häftlinge überhaupt, die auf dem Bergedorfer Friedhof “beerdigt” wurden.

Sie starben an drei aufeinanderfolgenden Tagen - dem 24., 25. und 26. April 1945.

Dem Neuengammer Totenbuch zufolge sind sie im Stammlager Neuengamme gestorben. Das würde allerdings bedeuten, dass diese Häftlinge keine Kriegsopfer sind, und damit keinen Anspruch auf einen Platz auf dem Gräberfeld haben. Es sei denn, diese Häftlinge sind gewaltsam zu Tode gebracht worden.

Das klingt natürlich alles recht nüchtern. Aber der Gesetzgeber hat das einst genau so formuliert, beschlossen und verkündet.

Es lassen sich also Hypothesen anstellen, welche Umstände zum Tod dieser ausschließlich ausländischen Häftlinge geführt haben.

Am 20. April 1945 begann die Evakuierung des Stammlagers Neuengamme.

HYPO1: Als diese sieben Häftlinge gestorben sind, dürften die Krankenreviere bereits geräumt gewesen sein. Daher waren es wahrscheinlich keine Kranken die an den genannten drei Tagen gestorben sind.

Sollten die Krankenreviere jedoch noch nicht vollständig evakuiert gewesen sein, so wäre es relativ möglich, dass sie alle kurz hintereinander gestorben sind. Das ist jedoch mehr als zweifelhaft.

Außerdem stellt sich die zwingende Frage: Weshalb wurden ausschließlich diese sieben Häftlinge dem Bergedorfer Friedhof zugeführt, obwohl in dem Zeitraum Mitte bis Ende April 1945 noch weitere Häftlinge verstorben sind?

Es erscheint hierbei etwas makaber, wenn maßgebend für eine “Beerdigung” auf einem Friedhof, der letzte Wohnort eines Häftlings entscheidend gewesen ist. Und die Meldeadresse sämtlicher KL-Häftlinge war das Konzentrationslager Neuengamme. D.h. insofern die Leichen der Häftlinge nicht im lagereigenen Krematorium verbrannt worden sind, hätten die Häftlinge auf dem Bergedorfer Friedhof beerdigt werden müssen. Solche Erdbestattungen sind grundsätzlich anzuzweifeln, weil es bis zum heutigen Tag einer umfangreichen Forschungsarbeit mangelt. Parallel verhält es sich ebenso zu den Zwangsarbeitern die in Bergedorfer Betrieben gearbeitet haben. Einige Dutzend von ihnen wurden ebenfalls bei den Kriegsgräbern des Zweiten Weltkriegs platziert. Aufgrund mangelnder Forschung läßt sich aber nicht belegen woran diese Zwangsarbeiter gestorben sind. Bombenopfer können es nicht sein, da Bergedorf zu keinem Zeitpunkt attackiert wurde. Es kommen also nur Gründe wie Fleckfieber oder andere Krankheiten, Unterernährung, Entkräftung in Betracht. Aber das sind dann eben keine Kriegsopfer im rechtlichen Sinn.

HYPO2: Die sieben Häftlinge gehörten zum Rest- bzw. Räumungskommando des KL Neuengamme und unternahmen gemeinsam einen Fluchtversuch oder Plünderungen; wurden gefaßt und “standrechtlich” füsiliert. Auszuschließen ist es nicht.

Auffällig bei diesen sieben Häftlingen ist, dass von ihnen keine Geburtsdaten vorliegen. Nirgendwo. Nicht auf dem Friedhof; nicht beim Volksbund, und auch nicht in der offiziellen Gräberliste (ungewöhnlich ist das nicht unbedingt, insbesondere bei widerrechtlichen Hinrichtungen). Bei allen anderen in diesem Zeitraum verstorbenen Häftlingen liegen diese Daten vor.

HYPO3: KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter wurden häufig, insbesondere nach dem fatalen Bombenangriff auf Hamburg im Sommer 1943, in Bombenräumkommandos eingesetzt (so genannte “Baubrigaden”), wobei immer wieder Häftlinge gestorben sind. In diesem Kontext wäre es durchaus möglich, dass die sieben Häftlinge bei einer solchen Zwangsmaßnahme ums Leben kamen. Allerdings wird der Sterbeort der Häftlinge mit Neuengamme angegeben.

HYPO4: Letztendlich bleibt die grausame Vorstellung übrig, dass diese sieben Häftlinge exekutiert worden sein könnten. Deutliche Hinweise darauf gibt es keine. Da es sich bei diesen Häftlingen um unterschiedliche Nationalitäten gehandelt hat, können es auch nicht die russischen Kriegsgefangenen sein die bei der Ermordung der zwanzig jüdischen Kinder in der Schule am Bullenhuser Damm geflohen und teilweise wieder ergriffen worden sind. Kriegsgefangene wurden in den KLs nicht als Häftlinge geführt, bekamen also keine Häftlingsnummer. Es kann sich aber um Häftlinge gehandelt haben, deren Exekution bereits vom RSHA angeordnet gewesen ist, und die dann womöglich die letzten Delinquenten des Stammlagers Neuengamme gewesen sind. Gewissheit hierzu wird es nimmer geben.

Unverständlich bleibt nach wie vor weshalb diese sieben KZ-Häftlinge als Kriegsopfer angesehen und behandelt wurden. Dafür muss es einen Grund geben.

Dass es auf diesem Gräberfeld des Zweiten Weltkriegs noch weitere Namen gibt, die nachweislich keine Kriegsopfer gewesen sind, spricht für eine gewisse Mentalität, wie man in der Nachkriegszeit mit den Opfern umgegangen ist. Einerseits wollte man, wie vermutlich im Fall der sieben KZ-Häftlinge, diesen NS-Opfern etwas Würdigung entgegen bringen. Andererseits wurden Nazis auf den Friedhöfen glorifiziert, in dem man sie einfach als Kriegsopfer angesehen hat.

Das sicherlich beste Beispiel dafür ist Richard Pauly. Er wird als Kriegsopfer geführt und befindet sich beim Gräberfeld des Zweiten Weltkriegs, obwohl er kein Opfer des Krieges gewesen ist, sondern nach Aburteilung eines dubiosen Gerichtsverfahrens in Polen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, und Ende 1951, zwei Wochen vor seinem 38. Geburtstag, in Danziger Haft verstorben ist.

Richard Pauly steht in keinem Zusammenhang zum ehemaligen Kommandanten von Neuengamme - Max Pauly.

Richard Pauly, der am Harz geboren wurde verzog es mit seiner Familie später nach Hamburg-Bergedorf wo er sein Abitur machte und anschließend eine Ausbildung zum Dekorateur absolvierte. Bereits im jugendlichen Alter war er lokal politisch aktiv, und heiratete später eine bildhübsche Frau mit der er drei Kinder hatte und in einem herrschaftlichen Haus im Bergedorfer Villenviertel wohnte.

Pauly war an den Kämpfen um Gdin beteiligt, und gehörte daher zeitweilig zur “Heimwehr Danzig”. Aber er ist kein Kriegsverbrecher, wie man es ihm nach dem Krieg anzudichten versuchte. Vielmehr war er ein zielstrebiger SS-Offizier der u.a. an der Junkerschule Braunschweig Taktik lehrte und bei Kriegsende an der Kriegsakademie tätig war.

Sein Platz auf dem Bergedorfer Friedhof als Kriegsopfer
ist jedoch widerrechtlich.


Mittwoch, 26. Juli 2017

Sachen gibts …


… die gibts tatsächlich.

Auf dem Bergedorfer Friedhof, bei den sowjetischen Kriegsgräbern, gibt es neuerdings einen weiteren Gedenkstein. Weshalb und zu welchem Zweck bleibt rätselhaft. Und das was darauf eingeritzt ist, stellt eine ziemlich anmassende Behauptung dar.


Der letzte Satz auf diesem Stein lautet: “Die Anzahl der hier beerdigten Opfer ist nach heutigem Forschungsstand höher als angegeben”

Hallelujah! Nach heutigem Forschungsstand? So lange es diesen Gedenkort gibt, ist zu keinem Zeitpunkt geforscht worden. Noch niemals. Seit 70 Jahren nicht!

Für jeden gesunden Menschen ist es vollkommen logisch, dass (1) auf diesem “Friedhof” niemand beerdigt worden sein kann, und (2) die Opferzahl demnach auch nicht höher sein kann. An diesem Ort wurde niemand beerdigt, schon gar nicht aus dem Konzentrationslager Neuengamme. Es ist ein schlichter Erinnerungsort, geprägt von Euphemismus.

Die Kosten für diesen überflüssigen Gedenkstein wären besser in eine Forschungsarbeit investiert gewesen!

Verantwortlich in dieser diffizilen Sache ist der Generalkonsul der Ukraine in Hamburg.


Dienstag, 4. Juli 2017

Keine thematischen Rundgänge mehr in Neuengamme!


Einige Jahre lang gab es bei der Gedenkstätte Neuengamme fast jeden Sonntag so genannte thematische Rundgänge zu einem bestimmten Thema, oder allgemeine Führungen über das weitläufige Gelände (mit einer maximalen Dauer von zwei Stunden).

Schaut man sich nun den aktuellen Quartalskalender an, so gibt es diese Rundgänge nicht mehr. Stattdessen jeweils samstags “Öffentliche Kurzführungen für Einzelbesucher” die auf 45 Minuten begrenzt sind.

Von der Gedenkstätte heißt es dazu: “Sie erhalten einen ersten informativen Eindruck von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme sowie eine Einführung in die Geschichte des ehemaligen Konzentrationslagers.”

Daraus ergibt sich natürlich die Frage, wie will man dem interessierten Besucher in 45 Minuten 50 Hektar Konzentrationslager mit allen seinen furchtbaren Facetten erklären? Es war und ist schon schwierig genug den Besuchern innerhalb von zwei oder drei Stunden das ehemalige Lager plastisch zu vermitteln.

Die neuerliche Gedenkstättenpolitik ist ein Rückschritt zur Stagnation.

Oder will man hiermit erreichen, dass die Besucher kostenpflichtige Führungen buchen? Das wird nicht funktionieren.