Mittwoch, 20. April 2016

70 Jahre Curiohaus-Prozesse am 19. April 2016 an der Hamburger Uni

Auszug des Flyers
Diese Veranstaltung hätte eigentlich am Ort der juristischen Ereignisse, im Curiohaus, stattfinden müssen. Stattdessen entschied man sich für einen kleinen Raum (das als Saal zu bezeichnen ist ziemlich übertrieben) im Von-Melle-Park. Der Andrang zu dieser Veranstaltung war überraschend “groß”. Schätzungsweise 200 Menschen drängten sich in den viel zu kleinen Raum (Dr. Boor versuchte die Situation dadurch zu entschärfen, dass er bemerkte, dass hierdurch vielleicht etwas Gemütlichkeit aufkommen könnte; das amüsierte einige der Gäste), darunter allerdings auch zahlreiche Mitarbeiter der Gedenkstätte Neuengamme. Einige wenige Leute mussten sich das Ganze stehend anhören. Die Akustik war ziemlich schlecht, obwohl ein Mikrofon zur Verfügung stand, war man nicht in der Lage für eine angemessene Lautstärke zu sorgen. Besonders bei Reimer Möller, der eine sehr flache Stimme hat, musste man äußerst konzentriert lauschen. Wehe dem wenn sich jemand räusperte oder ein Handy klingelte. Selbst wenn die Zuhörer sich über die schlappe Akustik mehrfach beklagten; Herr Möller schaltete einfach auf Durchzug und plapperte unbeirrt weiter.

Die Moderation durch Dr. Doerry (Der Spiegel) ging in Ordnung. Die Vorträge von Dr. Boor (Völkerrechtler) und Herrn Schrimm (ehemaliger Leiter der Zentralen Stelle in Ludwigsburg) waren zwar inhaltlich souverän vorgetragen, jedoch mangelte es am Kontext zum eigentlichen Thema dieser Veranstaltung.

Es überkam einem schnell der Eindruck, dass diese Veranstaltung nicht besonders gut vorbereitet war. Abgesehen von der Akustik, wurde das Thema Curiohaus-Prozesse in seiner Komplexität nicht ausführlich, und vor allem nicht verständlich genug für alle Zuhörer präsentiert.

Um das ganze Spektrum der Curiohaus-Prozesse und ihre Bedeutung vorzutragen, so wie es im obigen Flyer angekündigt wurde, kamen die Akteure, vor allem Dr. Möller (Historiker und Archivar an der Gedenkstätte Neuengamme), nicht nach. Nur Ansatzweise wurden einige Facetten diskutiert, aber das avisierte Ziel einer plastischen Darstellung dieser Prozesse wurde nicht erreicht. Vielmehr wurde in wirrer Weise mit Begriffen jongliert derer eine Chronologie nicht zu erkennen war.

Wenn beispielsweise davon gesprochen wurde, dass die Engländer 10 Verbrechen für das Verfahren herangezogen haben, so wurde nicht auf ein einziges dieser Verbrechen eingegangen bzw. alle zehn Anklagepunkte erörtert. Oder haben etwa die Vergasungen von sowjetischen Kriegsgefangenen keinen Wert? Oder die Ermordung (und die Umstände) der mehreren Dutzend Fuhlsbüttel-Häftlinge, die noch im April 1945 im KL Neuengamme ermordert wurden? Und nicht zu vergessen, die armen kleinen Kinder, mit denen medizinisch experimentiert wurde und die ebenfalls alle ermordet wurden? Hat das alles keinen Wert, um es den Zuhörern zu veranschaulichen wie es von den Engländern im Verfahren behandelt wurde?

Auch die Angeklagten wurden nicht thematisiert. Hauptsächlich war die Rede davon, dass es im Hauptverfahren 14 Angeklagte gegeben hat; dass elf Todesurteile ausgesprochen wurden. Aber wer diese Menschen eigentlich gewesen sind, wurde den Besuchern nicht vermittelt.

Und wer waren die Zeugen beider Seiten? Nach welchen Kriterien wurden sie ausgewählt? Waren sie durchweg glaubwürdig?

Und die intensive Arbeit der britischen Ermittler, und die Schwierigkeiten die damit verbunden gewesen sind? Großes Schweigen dazu. Besonders interessant wäre es auch gewesen, wenn den Besuchern verdeutlicht worden wäre, dass es sich bei diesen Ermittlern um Emigranten verschiedener Nationalität gehandelt hat.

Und wer waren die Rechtsanwälte? Nur Dr. Wessig (der Anwalt von Pauly) wurde angesprochen. Zu den anderen Anwälten, die zum Teil auch in anderen Prozessen tätig waren, kein Wort.

Und auf die Neuengamme-Folgeprozesse, sowie Aussenlagerprozesse wurde erst gar nicht eingegangen.

Im bereits erwähnten Flyer zu dieser Veranstaltung heißt es: “Der Curiohaus-Prozess war ein Meilenstein …” - dieses so genannte “Podiumsgespräch” jedoch war es ganz sicher nicht!