Dienstag, 22. Dezember 2015

Verbirgt das Klinkerwerk Neuengamme ein „Geheimnis“?

Die Gedenkstätte Neuengamme hat den Vorteil, dass das komplette Klinkerwerk heute noch vorhanden ist, zumindest seine „Hülle“. Anders als wie das Klinkerwerk Oranienburg, das praktisch ausgelöscht wurde. Gleichwohl gibt es über das Werk Oranienburg eine wissenschaftliche Arbeit von Christel Trouvé, die damit 2011 ihre Dissertation vorgelegt hat.

Das Klinkerwerk Neuengamme war die größte Ziegelei zur damaligen Zeit in Europa, nachdem das Werk Oranienburg ein wirtschaftliches Desaster für die SS wurde. Insofern fällt es einem schwer nachzuvollziehen, warum es über das fast 17.000 qm große Werk, in dem es auch ohne Inventar noch einiges zu entdecken gibt, bislang keine wissenschaftliche Arbeit vorgelegt wurde. Das gilt gleichermaßen ebenso für das Stammlager Neuengamme. Auch hier gibt es nach 70 Jahren immer noch keine vollständige historische Gesamtdarstellung des einstigen KLs der Lagerstufe II. Zu den Außenlagern hingegen gibt es mehrere wissenschaftliche Arbeiten. Vor einigen Jahren meinte der Leiter des Archivs zu mir, dass es im Grunde seine Aufgabe sei Bücher zu schreiben. Schaut man sich die relativ beträchtliche Zahl von Publikationen anderer Gedenkstätten an, so lässt sich feststellen, dass die hochbezahlten Historiker der Gedenkstätte Neuengamme ihrem eigentlichen Auftrag nicht nachkommen. Es gibt viel Laber-Rhabarber, es mangelt jedoch vor allem an Konstruktivität.

Die Ziegelei in Neuengamme ist für jeden Besucher mit einer Art Mystik behaftet, denn besichtigen kann man das seit 1984 unter Denkmalschutz stehende Gebäude nicht. Ich werde an dieser Stelle nicht wiederholen, was ich bereits in meinen Unmutsbekundungen erörtert habe.

Interessant ist gewiss auch die Tatsache, dass sich die Arbeitskommandos des KL Neuengamme innerhalb des Lagers befunden haben. Die (Zwangs)Arbeitsstätten Klinkerwerk, die DAW, Messap, Jastram oder die Fertigungsstelle Metallwerk (Waltherwerk), lagen unweit der Unterkunftsblöcke im Schutzhaftlager. Das hatte den besonderen Nutzen, dass die Arbeitskraft der Häftlinge zu einem höheren Maß als wie in anderen Lagern ausgeschöpft werden konnte, denn lange Fußmärsche zu den Arbeitskommandos gab es nicht. Und für die größte Produktionsstätte in Neuengamme hatte das eine außerordentlich effiziente Bedeutung.

Der damalige Werksleiter Werner Kahn hat Mitte der 80er Jahre in einem Interview erzählt, dass man in der Endphase des Krieges Unterlagen aus Berlin im Klinkerwerk irgendwo eingemauert hätte. Welchen Sinn das gehabt haben soll erscheint reichlich suspekt. Jedenfalls wurde nach dem Krieg danach gesucht, gefunden hat man allerdings nichts. Ob diese Behauptung der Wahrheit entspricht, wird sich nur klären lassen, wenn das Werk gründlich erforscht wird.

Aber das Klinkerwerk hat noch ein anderes „Geheimnis“ zu offenbaren, welches bis zum heutigen Tag undokumentiert geblieben ist. Wiederum stammt es aus dem Munde von Herrn Kahn. Er sagt, dass sich unterhalb des Klinkerwerks, und zwar dort wo sich der so genannte Sumpf befindet, ein Magazin (Materiallager) mit „riesigen Sälen“ befunden habe (wo auch die Dokumente aus Berlin versteckt worden sein sollen). Zunächst stutzt man vielleicht über diesen Hinweis. Aber man kann, wenn man sich die Örtlichkeiten etwas genauer anschaut, dieser Aussage durchaus glauben schenken. Zwischen den beiden Sumpfbecken befindet sich nämlich ein Gang der in die Tiefe führt, und dort gibt es womöglich ein Problem mit dem Grundwasserspiegel. Deswegen wurde wohl auch der Zugang verrammelt, weil es für „Eindringlinge“ einfach viel zu gefährlich werden könnte. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass keine Untersuchungen bisweilen dazu eingeleitet worden sind. Oberstes Gebot der Gedenkstättenforschung sollte es sein, alle Bereiche des ehemaligen KLs zu erforschen und zu dokumentieren.

Vor einigen Jahren beispielsweise hat man im ehemaligen Schutzhaftlager eine Art Kanalisationssystem entdeckt oder wiederentdeckt. Derartige Funde sind für das Verständnis des lokalen Lagersystems von elementarer Bedeutung, und ermöglichen dadurch einen anderen oder besseren Blickwinkel auf die historische Geschichte des KL Neuengamme. Beim Klinkerwerk wäre das ebenso der Fall. Die Fachleute müssen einfach nur tätig werden …

Freitag, 4. Dezember 2015

Unbekannte Fotos?

Ich habe bereits vor einigen Jahren von Fotos berichtet, die über Jahrzehnte hinweg einem ehemaligen Häftling zugeschrieben wurden. Deswegen war in Publikationen auch immer wieder der Name Heinrich Masseth in diesem Zusammenhang zu finden. Der hat diese Fotos aber nicht gemacht, sondern Fotografen der SS, darunter Josef Schmitt.

Masseth hat diese Fotos zusammen mit einem anderen Häftling während der Evakuierung des Stammlagers Neuengamme „gestohlen“. In der Nachkriegszeit hat er dann mehrfach versucht, aus diesen Fotos Kapital zu schlagen. Auch bei der Hamburger Kulturbehörde hat er es vesucht, die aber zunächst ablehnte. Später (1981) kaufte man die Fotos aber doch. Vom historischen Standpunkt aus war das sicherlich die richtige Entscheidung. Diese Fotos sind nämlich sehr hilfreich, weil sie zum Teil die Aufbauphase des Lagers Neuengamme zeigen.

Kürzlich wurde auf der Webseite der Gedenkstätte Neuengamme unter der Rubrik „Aktuelles“ die Frage gestellt: In welchem Außenlager entstanden diese Fotos? Dabei handelt es sich um eine Reihe von Aufnahmen, die diesen ominösen Stempel vom Masseth tragen. Sie zeigen aber definitiv nicht das KL Neuengamme, und auch kein Aussenlager.

Ich kann es mir einfach nicht verkneifen die Frage zu stellen, was die Historiker der Gedenkstätte Neuengamme in den letzten fast 35 Jahren eigentlich gemacht haben, dass sie bis heute nicht herausgefunden haben, dass es sich bei den Aufnahmen zweifelsfrei um das Lager Stutthof handelt (wo Max Pauly bekanntlich längere Zeit Kommandant gewesen ist).

Also ich habe das ratzfatz schon vor einigen Jahren klarstellen können (und dabei habe ich nicht einmal einen akademischen Titel ;-)

Hier der Link zu den Fotos

Sonntag, 29. November 2015

Besucherzahlen

In der Vergangenheitsgeschichte des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme war immer wieder die Rede von einem „vergessenen“ oder „unbekannten“ Lager. Inzwischen hat sich das grundsätzlich geändert, weil sich Neuengamme in einer Weise weiterentwickelt hat, die man als positiv bewerten muss, wenngleich es auch ein schwieriger Weg gewesen ist. Die Gefängnisse haben wesentlich dazu beigetragen, dass Menschen sich gescheut haben diesen Ort aufzusuchen, zumal selbst das immer wieder mit Schwierigkeiten verbunden war. Daher waren die Besucherzahlen seinerzeit in einem Bereich angesiedelt, den man als wenig bedeutsam bezeichnen kann.

Seit zehn Jahren gibt es nun eine Gedenkstätte, die sich diese Bezeichnung auch verdient hat, und die durch eine erforderliche Umgestaltung mit Ausstellungen, Archiv, Verwaltung etc zentral auf dem Gedenkstättengelände untergebracht ist (zuvor gab es nur „Asyl-Container“, in denen die Mitarbeiter der Gedenkstätte einquartiert wurden). Diese Umgestaltung bedeutet natürlich auch mehr Attraktivität für die Besucher.

Das Gelände lässt sich selbständig erkunden (indes ist es neuerdings verboten das Gelände mit Fahrrädern zu befahren. Gegenüber den Besuchern ist das eine nicht hinzunehmende Intoleranz), oder man lässt sich von so genannten „Guides“ (ein ziemlich dämliches Wort; weil die Mitarbeiter der Gedenkstätte ein Problem mit dem Wort „Führer“ haben) die verschiedenen Anlaufpunkte erklären. Das bekommt man allerdings nicht für lau. Jedoch gibt es auch kostenlose Angebote von verschiedenen Institutionen. Oder man nutzt die sonntäglichen thematischen Führungen, die ebenfalls kostenfrei sind. Allerdings wird jeder feststellen können, je häufiger dieses Angebot in Anspruch genommen wird, dass diese thematischen Rundgänge sich meist nicht bzw. nur bedingt ums eigentliche Thema drehen. Wenn beispielsweise „Juden“ das Thema sind, dann ist es praktisch ausgeschlossen darüber zwei Stunden oder länger zu lamentieren. Einfach deswegen, weil es im KL Neuengamme verhältnismäßig wenige Juden gegeben hat; ab Herbst 1942 überhaupt keine mehr. Erst ab 1944 gab es wieder Juden in Neuengamme, die meisten von ihnen allerdings in den Außenlagern.

Das Thema „Lager-SS“, das gelegentlich auch angeboten wird, ist schwierig. Entweder kommen kaum Besucher zu einer solchen Führung, weil sie befürchten durch ihr Interesse stigmatisiert zu werden. Oder aber die Führung ist derart plump gestaltet, dass man mit den Interessierten einfach in die „Ausstellung“ zur Lager-SS geht (dazu bedarf es jedoch keiner Führung). Und auch gezielte Fragen werden nicht oder nur oberflächlich, oder unwissend beantwortet. Dass bei Gedenkstätten dieser Art die Opfer im Vordergrund stehen müssen, erfordert keine Rechtfertigung. Sich aber nicht den Tätern angemessen zu widmen, zeigt sich nicht nur in der mangelhaften Darstellung auf dem Gelände, sondern auch in der unzureichenden Vorstellung in den ehemaligen SS-Garagen, als auch in der Fachliteratur. Dass das wiederum nicht so sein muss, hat z.B. die Gedenkstätte Sachsenhausen mit ihren Publikationen deutlich herausgestellt. In Neuengamme gibt es aber immer noch die dezimierte Haltung, den ehemaligen Angehörigen der Lager-Kommandantur kein Podium zu bieten. Für das historisch-geschichtliche Verständnis ist das allerdings der falsche Weg. Auf diese Weise kann man den Besuchern wenig davon vermitteln, wie das „Verhältnis“ zwischen Häftling und Bewacher tatsächlich gewesen ist.

Zahlen stellen für die Gedenkstätte Neuengamme offenbar etwas machtvolles dar. Denn als man 2014 die Grenze der Besucherzahl von 100.000 überschritt, war man darauf ziemlich stolz. Durch die Besucherzahl wird oder soll vermittelt werden, dass die Gedenkstätte gute Arbeit leistet. Das lässt sich aber m.E. nicht an den Besucherzahlen messen, weil damit suggeriert wird, dass alle Besucher aus eigenem Antrieb die Gedenkstätte aufsuchen würden.

Die Zahlen der Besucher sind im „Jahresbericht 2014“ veröffentlicht worden. Demnach besuchten 102.322 Menschen die Gedenkstätte Neuengamme und ihre Außenstellen, d.h. 94.594 davon besuchten Neuengamme direkt. Die größte Besuchergruppe jedoch stellen die Schulklassen mit 37.965 Schülern dar. Diese Zahl in die Besucherstatistik einfließen zu lassen ist jedoch irreal.

1613 Schulkassen (das entspricht durchschnittlich 23 Schüler per Gruppe) besuchten 2014 die Gedenkstätte Neuengamme. Diese Besuche sind aber forciert, weil hier niemand von freiwilliger Selbstbestimmung reden kann. Dabei darf nicht ungeachtet bleiben, dass die Schulklassen einen immer höherwerdenden Anteil an fremd-ethnischen Schülern zu verzeichnen haben. D.h. dieses besondere Kapitel der deutschen Geschichte, ist nicht die Geschichte der nicht deutschstämmigen Schüler. Ihnen fehlt der Bezug zu diesem Geschichtskapitel. Deswegen interessiert sich der Grossteil von ihnen auch nicht dafür. Oder man könnte auch sagen, die vermeintlichen Zuwanderer werden zur Ausschmückung von Statistiken missbraucht. Während meiner jahrelangen Gedenkstättenarbeit hat es sich gerade so konstatiert. Von den Menschen, die ich über die Geschichte von Neuengamme aufgeklärt habe, waren weniger als 1% nicht deutschstämmig. Hinzu kommt dann noch, dass die Pädagogen ihre Schulklassen entweder gar nicht oder nur unangemessen vorbereiten. Oder wie soll man sich Äußerungen erklären, wenn Schüler bei der Ankunft in Neuengamme hitzig fragen: „Wo sind denn hier die Gaskammern?“

Worauf man überhaupt keinen Wert in Neuengamme zu legen scheint, ist das Alter der Kinder und Jugendlichen. In Polen ist das beispielsweise gesetzlich geregelt, dass Kinder bis dreizehn Jahre eine Gedenkstätte wie Stutthof oder Auschwitz nicht betreten dürfen. Das zeugt von einem hohen Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Sensibilität eines Kindes.

Die Gesamtbesucherzahl von Neuengamme muss differenzierter gemustert werden. Abzüglich der Schulklassen bleibt eine realistische Zahl von insgesamt rund 65.000 (für 2014) die sich unaufgefordert der Geschichte stellen und sich damit auseinander setzen wollen. Alles andere ist nur eine farblose Beschönigung.

Donnerstag, 29. Oktober 2015

Ausstellungskataloge 2014

Bücher nach der Gutenbergschen Methode sind immer noch eine feine Sache. Man kann darin blättern, stöbern, lesen, staunen, sich wundern oder ärgern - apropos wundern: Als Anfang Mai 2014 endlich der neue Ausstellungskatalog in zwei Bänden feierlich bei einer Veranstaltung bei der Gedenkstätte Neuengamme vorgestellt wurde, haben sich alle gefreut. Na gut, fast alle.

Es hat lange gedauert, denn der letzte Katalog erschien 2005 und kann getrost als der schlechteste Katalog bezeichnet werden. Denn mit seinen Minimaltexten und dann auch noch dreisprachig; das war und ist eine recht enttäuschende Lektüre.

1989 bzw. 1991 erschien der erste, und für meinen Geschmack immer noch beste Katalog. Die Gedenkstätte Neuengamme wäre gut beraten gewesen, das Prinzip des ersten Katalogs fortzuführen. Aber leider ist man wieder nahezu ins alte Strickmuster des zweiten Katalogs zurückgefallen.

Gut ist es natürlich, dass ein neuer Katalog erschienen ist, und gut ist es auch, dass dieses Werk sehr umfassend ist. Über den Preis von 28€ kann man allerdings nicht erfreut sein. Desto günstiger eine derartige Publikation ist, umso mehr lässt sich davon absetzen. Aber diese Maxime der Marktwirtschaft verstehen die Macher eben nicht.

Zurück zum Anfang. Wundern muss man sich wirklich über die zahlreichen Unstimmigkeiten, die es in diesem Katalog gibt. Das ist ja schließlich keine 08/15-Produktion, sondern ein professionelles Druckwerk. Andernfalls dürfte dieser „Schinken“ nur ein paar Euros kosten. Man hat also Profis die Gestaltung machen lassen, und ein Lektorat hat es auch gegeben. Und damit komme ich dann zum Kern dessen, was eben nicht sein darf: Und das sind die Fehler im Text. Ich werde hier nicht sämtliche Fauxpas auflisten; die Verantwortung dabei liegt natürlich bei der Gedenkstätte, die bei kommenden Neuauflagen hoffentlich alle Fehler korrigieren wird. Unabhängig davon möchte ich denoch auf einige dieser „Schlampereien“ hinweisen.

Im Anhang beider Bände findet sich ein chronologischer Verlauf der Ereignisse von 1938-2014. Und auf Seite 379 (Band 1) und Seite 259 (Band 2) wird auf den ersten Neuengamme-Prozess hingewiesen. Abgesehen davon, dass diese Chronik überflüssigerweise in beiden Bänden abgedruckt wurde, so sind die Daten falsch (3.3.46-18.5.46); es muss genau anders herum lauten (18.3.46-3.5.46). Derjenige der das zu verantworten hat, hat entweder keine Ahnung, oder ist schusselig. Und der Lektor? Der hat auch nichts mehr gemerkt.

Was überhaupt nicht angehen kann ist auf Seite 37 (Band 2) leider doch geschehen. Der Text bricht auf einmal ab, und der Leser fragt sich: Ich will sofort mein Geld zurück!

Gleicher Band Seite 60. Die Todesdaten zu Trzebinski und Kitt sind falsch. Es sind die gleichen Fehler, wie sie auch in der Ausstellung zur Lager-SS zu finden sind und im Offenen Archiv. Es ist mir unbegreiflich weshalb in dieser aktuellen Publikation keine Korrektur vorgenommen wurde. Sämtliche Angeklagte im ersten Neuengamme-Prozess, dessen Urteil auf Todesstrafe lautete, wurden am 8.10.1946 gehängt. Gleicher Fehler auf Seite 83, und Seite 45 in Band 1. Es wurden einfach veraltete Texte kopiert und nicht überprüft.

Manche Namen von ehemaligen Häftlingen müssen geschützt werden. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. In Band 1 Seite 78/79 wird ein Häftling namens Hans G. vorgestellt; in Band 2 wird der Name vollständig ausgeschrieben.

Seite 29 Band 1 Satzfehler! Im letzten Absatz in der ersten Spalte
Dito Seite 52 Satzfehler! Unterer Absatz

Seite 49 und 111 Band 2. Die Behauptung Walter Eisfeld wäre Kommandant des KL Neuengamme gewesen ist Nonsens. Eisfeld verstarb bereits im April 1940 als es das eigenständige Lager noch gar nicht gab. Er kann allenfalls Führer des Arbeitslagers gewesen sein.

Seite 63 dto. Die Angaben zu Paul Meinhardt sind unvollständig falsch, obwohl sein Wehrpass seit Jahren im Internet angeboten wird und dort auch mit allen relevanten Daten abgebildet ist.

Ich glaube das reicht jetzt, um zu verdeutlichen, was hier für ein Mumpitz fabriziert wurde. Darüber hinaus sind aber auch andere Unregelmäßigkeiten enthalten, die der historischen Geschichte von Neuengamme widersprechen.

Eines noch. Die Grundfarbe des Katalogumschlags (und auch anderer Drucksachen der Gedenkstätte Neuengamme) sollte einmal gründlich überdacht werden.

Meine Damen und Herren der Gedenkstätte Neuengamme, falls Sie einmal einen Lektor benötigen, der von der Materie auch Ahnung hat, wenden Sie sich vertrauensvoll an mich.


Nachtrag: “Baby, what a big surprise!”
Die Kataloge gibts auch gratis zum Download. 
Band I
Band II

Sonntag, 18. Oktober 2015

Rekonstruktion strengstens verboten?

Gedenkstätten von ehemaligen Konzentrationslagern aus der NS-Zeit haben einen deutlichen Auftrag: Sie sollen dem interessierten Besucher u.a. vermitteln, um was für einen Ort es sich handelt, welche Bereiche es gegeben hat (Zwangsarbeit, Verwaltung, Schutzhaftlager etc); d.h. die architektonische Lagerstruktur und Lebensräume sollten klar erkennbar sein.

Das Ringen um eine „echte“ Gedenkstätte Neuengamme war äußerst zäh und geprägt von politischer Uneinsichtigkeit. Daher ist es nicht erstaunlich, dass der Hamburger Senat einen Beschluss verfasste, der besagt, dass in Neuengamme nicht rekonstruiert werden soll!

Rekonstruktion bedeutet, dass bestimmte Elemente, seien es Baracken, Zäune und dergleichen, in ihrer historischen Bedeutung wiederhergestellt werden; nicht um zu verdeutlichen wie so etwas ausgesehen hat, sondern wie es sich für den Besucher anfühlt.

Es ist also ein krasser Widerspruch, auf der einen Seite eine Neugestaltung der Gedenkstätte Neuengamme vorgenommen zu haben, unter dem Gesichtspunkt, dass die Hansestadt Hamburg in ihrer Nachkriegsgeschichte versucht hat, den Ort des ehemaligen KL Neuengamme für alle Zeiten verschwinden zu lassen, bzw. ihn abermals zu einem Ort der Schande deklassiert hat. Den Überlebenden selbst ist es zu verdanken, dass es heute ein uneingeschränkter Platz des Gedenkens geworden ist. Trotzdem sind bedeutsame Orte auf dem Gedenkstättengelände für immer verloren gegangen.

Nicht rekonstruieren zu wollen bedeutet daher nichts anderes, als darzulegen, dass das heute als harmlos erscheinende Gedenkstättengelände, mit seinen riesigen Grünflächen und Hunderten von Bäumen, die eher an einen Freizeitpark erinnern, für die damals massenhaft Inhaftierten nicht so schrecklich gewesen sein kann.


Auf der anderen Seite wird von vornherein eine authentische Darstellung des ehemaligen Lagers auf politischem Wege unterbunden. Was dabei ziemlich irritiert, ist die Feststellung, dass gleichwohl rekonstruiert wird. Zu diesem Befund kommt aber nicht nur der „Laie“, sondern auch die Fachleute. Denn einer der seinerzeit beteiligten Architekten bei der Umgestaltung der Gedenkstätte, hat unumwunden zugegeben, dass die vorgenommenen Rekonstruktionen einen Widerspruch zu der politisch gefällten Entscheidung darstellen.

Ein Bespiel: Bei der ehemaligen SS-Hauptwache, direkt neben den einzig überlebenden Wachturm, wurde ein sehr kleines Stück Lagerzaun nachgestellt. Ein paar spanische Reiter, etwas Stacheldraht. Diese Rekonstruktion ist leider unbefriedigend. Denn wie man auf historischen Fotos sehen kann, gab es vor dem Zaun noch etwa 1-1,5m Stachelstolperdraht (der sich ab ca. der Hälfte bei 45 Grad um ungefähr 50cm nach oben neigte), die den Häftling von vornherein davon abhalten sollte einen Fluchtversuch zu unternehmen. Des weiteren fehlen auch die Lampen, die in regelmäßigen Abständen am Zaun angebracht waren, und gibt es auch kein Hinweisschild, das darauf hinweist dass bei Fluchtversuch sofort und ohne Warnung scharf geschossen würde. Wenn man also den Weg einer Rekonstruktion sucht, dann sollte er auch den historischen Tatsachen entsprechen, hierzu mangelt es bei Verantwortlichen offenbar an Intelligenz. Da hilft es auch nicht, wenn es auf einer Schautafel erklärt wird, die sowieso vage formuliert wurde.

Wenn der Lagerzaun folglich eine so hohe Bedeutung hat, dass er rekonstruiert wurde, warum ist es dann in anderen Bereichen, die noch viel bedeutsamer sind, nicht möglich eine Rekonstruktion vorzunehmen? An den finanziellen Mitteln kann es nicht liegen, da die Gedenkstätte Neuengamme u.a. jedes Jahr vom Bund mit einer ¾ Million Euro bedacht wird.

Die Gedenkstätte Neuengamme sollte sich vielleicht den Begriff Rekonstruktion etwas genauer betrachten. Im Duden kann man dazu folgendes finden: … den ursprünglichen Zustand wiederherstellen oder nachbilden.

Die einzigen Rekonstruktionen in Neuengamme, die einigermaßen gelungen sind, ist der Appellplatz und die Steinhäuser (Hauptausstellung; Verwaltung-Archiv etc). Aber weder die Nachbildung der Tongrube oder das Eisenbahngleis kann als authentisch angesehen werden.

Wer bei der Gedenkstätte Sachsenhausen einmal eine Baracke betreten hat, der weiß was ich meine. Stickige Luft. Kein Mobiliar. Eine leere Baracke. Aber dennoch macht sich beim betreten augenblicklich ein mulmiges Gefühl breit. Darum muss es gehen. Der Besucher sollte das Gefühl eines Häftlings einigermaßen nachempfinden können. So etwas ist in Neuengamme nicht möglich. Man sieht die Gabionen und viele zerschredderte Steine. Das ist Symbolik, aber keine plastische Darstellung der Lebensräume der Häftlinge.

In Neuengamme gibt es eigenartiger Weise nicht ein historisches Gebäude welches für die Besucher zugänglich ist. Nicht das Klinkerwerk, nicht der Wachturm, nicht die Luftschutzbunker, nicht das Waltherwerk (teilweise schon), nicht das Kommandantenhaus. Lediglich die Ausstellungsgebäude sind logischer Weise begehbar. Das es auch anders geht, zeigen Gedenkstätten, die eine bewusstere Pragmatik verfolgen. In Neuengamme war es eben schon immer irgendwie anders.

Manche „Rekonstruktionen“, die aber schon vor dem Senatsbeschluss errichtet wurden, sind etwas eigenartig. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass es bei Führungen immer wieder Besucher gegeben hat, die sich diese seltsamen Metallkonstruktionen, die es zweimal auf dem Gelände gibt, nicht erklären können. Ein kleines Hinweisschild könnte hier Abhilfe schaffen. Für den vierten Wachturm, der das Schutzhaftlager desgleichen flankiert hat, gibt es weder ein Eisengestell, noch eine Gabione, und auch keinen Hinweis darauf.

Es sind aber nicht nur die gravierenden Lebensbereiche die dargestellt werden müssen, sondern auch Orte der Zwangsarbeit. Wie z.B. der Standort der ehemaligen DAW, der Deutschen Ausrüstungswerke. Wer diesen Ort im Südosten des Lagerareals aufsucht findet dort nichts, außer ein Stück brachliegendes Land, das im Sommer von unglaublichen Gewächsen überwuchert wird. Natürlich gibt es eine Schautafel, dessen Kommentar allerdings zu wünschen übrig lässt. Die Zwangsarbeit, die dort in den Baracken vollzogen wurde, muss viel bedeutungsvoller herausgestellt werden. Ich halte es für äußerst ratsam, diesem verwahrlosten Ort etwas mehr Gleichstellung zu anderen Zwangsarbeitsstellen einzuräumen.

In Neuengamme gab es auch eine so genannte Hundestaffel, die aus einigen Dutzend Vierbeinern bestand. Für die Häftlinge stellten sie immer wieder eine große Gefahr dar, vor allem wenn ein Häftling beim Appell fehlte, dann hat man nicht nur im Lager nach ihm gesucht, sondern auch außerhalb. Und auch die nächtlichen Patrouillen dürften von Hunden begleitet gewesen sein. Man weiß sehr genau wo diese Hunde untergebracht waren, aber einen Hinweis sucht der Besucher auf dem Gelände vergebens.

Ich könnte noch viele andere Beispiele anführen, die deutlich machen, dass die Gedenkstätte Neuengamme noch einiges nachzuholen hat, bis man greifbar davon reden kann, dass das Areal mit allen seinen Facetten würdig erschlossen worden ist und dem Besucher ein wirklich reelles Bild vom ehemaligen KL Neuengamme vermittelt wird.

Dienstag, 6. Oktober 2015

Neuengamme auf DVD

Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hat nebenbei den Effekt, dass auch das cineastische Wirken der DDR einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden kann. Denn seit einigen Jahren gibt es das so genannte DDR TV-Archiv. Unter diesem Aufmacher sind inzwischen eine Reihe recht interessanter Filme auf DVD erschienen, die sich mit verschiedener Thematik des Dritten Reiches auseinandersetzen. Die meisten dieser Filme sind im bundesrepublikanischen Fernsehen noch nie gezeigt worden. Dazu gehört auch „Der Mann von der Cap Arcona“.

Dieser Film ist sicherlich kein Meisterwerk, aber er versucht ansatzweise etwas von einer Katastrophe zu erzählen, die von einem realen Überlebenden der „Cap Arcona“ erzählt wird –
Erwin Geschonneck.

Geschonneck war Häftling im KL Neuengamme; er war Blockältester, obwohl er nur einige Monate in Neuengamme gewesen ist. Und er überlebte den Luftangriff auf die „Cap Arcona“ in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945 unbeschadet.

In der DDR war er einer der bekanntesten Schauspieler. Allerdings ist die Person m.E. etwas rätselhaft. Geschonneck spielte Anfang der fünfziger Jahre auch die Hauptrolle in dem Film „Das Beil von Wandsbek“. Es ist die Romanverfilmung von Arnold Zweig, nach dem sich ein Hamburger Schlachter von den Nazis und dem Duft von Geld verleiten lässt, vier Kommunisten mit einem Beil hinzurichten. Seiner Frau erzählt er davon nichts; das behält er schön für sich. Aber nach „getaner Arbeit“ kommt es allmählich heraus was er getan hat. Von dem „Blutgeld“ kauft er neues Inventar für seine Schlachterei. Alle wundern sich, wo auf einmal das Geld dafür herkommt. Nach und nach bleiben die Kunden aus. Es wird gemunkelt, der Schlachter habe sich von den Nazis kaufen lassen, für eine gewissenlose Tat. Nach anfänglichem Schweigen erzählt er seiner Frau dann doch davon, und die kann mit dieser Schmach nicht leben und bringt sich um. Und er, der Schlachter, kann nicht ohne seine Frau weiterleben, und erschießt sich.

Berücksichtigt man den Aspekt, dass Geschonneck selbst ein Verfolgter des NS-Regimes gewesen ist (KPD), und dass er in Konzentrationslagern eingesperrt war, dann fällt es einem schwer zu verstehen, warum sich dieser Schauspieler für eine derartige Rolle hergeben konnte.

Anders verhält es sich in dem Film „Der Mann von der Cap Arcona“. Zu diesem Zeitpunkt (1982) war Geschonneck einiges älter, vielleicht auch weiser, als wie 1951.

Es soll ein Film über das letzte Kapitel der „Cap Arcona“ gedreht werden. Und wer wäre dafür besser geeignet als Herr Geschonneck? Genau. Und so lädt man Geschonneck nach Hamburg ein um dort mit den Dreharbeiten zu beginnen. Warum man allerdings den Namen Geschonneck zu Gregorek in dem Film geändert hat, wird wohl ein Rätsel bleiben. Jedenfalls schreitet man voran indem Spielszenen entworfen werden, denn authentisches Filmmaterial von diesem Ereignis gibt es nicht. Gregorek wird immer wieder mit Erinnerungen geplagt, die in nachgespielten Szenen kurz eingeworfen werden. Und er trifft auch einige der damaligen „Anti-Faschisten“ wieder (Jupp Händler ist im Film kurz zu sehen). So nehmen die Dinge ihren Lauf, bis der Regisseur und Gregorek die Gedenkstätte Neuengamme aufsuchen (wenn man überhaupt diesen Ort seinerzeit so bezeichnen konnte). Gregorek hat Schwierigkeiten sich diesem Ort erneut zu stellen, wo so viel furchtbares geschehen ist. Er überwindet sich aber, und der Film zeigt einige Sequenzen des ehemaligen KZs von 1981/82, also kurz nach dem das Dokumentenhaus eröffnet wurde, das auch flüchtig zu sehen ist. Es wurde offenbar ganz bewusst darauf verzichtet die Justizvollzugsanstalten nicht auf Zelluloid festzuhalten.

Auf einmal ist für Gregorek wieder alles präsent. Vor seinen Augen läuft ein Film ab, der ihn in seine Haftzeit von Neuengamme zurückversetzt. Und er erinnert sich auch an die Kinder. Die zehn Mädels und zehn Buben, mit denen man experimentiert hat, und die im Laufe der Evakuierung des Lagers auf grausame Art und Weise ermordet worden sind (die Gedenkstätte Bullenhuser Damm wird ebenfalls im Film gezeigt). Gregorek will, dass das Kapitel der Kinder mit in den Film eingearbeitet wird. Der Regisseur weiß von all dem nichts. Es ist ihm völlig neu was den Kindern einst widerfahren ist, und er will es nicht in dem Film unterbringen. In seinem Film ginge es um die „Cap Arcona“ und nicht um die Kindermorde, argumentiert er. Gregorek ist am Ende. Das kann er nicht verstehen. Er wird diesen Film nicht machen, setzt sich in den Zug und fährt zurück nach Ostdeutschland.

Dieser Film ist wohl eher eine moralische Ermahnung daran, nicht zu vergessen was die Nazis Menschen angetan haben, als eine wahre Geschichte zu erzählen. Dennoch wurde der Film vom Regisseur Lothar Bellig geschickt inszeniert. Und eigentlich ist es nur indirekt ein DDR-Film, denn gefilmt wurde vollständig in Hamburg.

Bei Geschonneck gewinnt man den Eindruck, dass er das Erlebte in Neuengamme lange Zeit verdrängt hat, und spät zu der Einsicht gekommen ist, wie nachteilig es vielen seiner Mithäftlinge ergangen ist. In seinen eigenen Erinnerungen ist immer nur davon zu hören, welches Leid er selbst erfahren hat, und mit was für einer Bravour er überlebt hat. Als Blockältester hat er praktisch Kenntnis von nahezu allen Verbrechen gehabt, und deshalb wird er kaum so gelitten haben, wie einige seiner Kameraden. Wer über 100 Jahre alt geworden ist, der kann sich in seinem Leben nicht wirklich viel zu Herzen genommen haben.

Ein interessanter und ordentlich gemachter Film mit einem suspekten Hauptdarsteller.



Von dem ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme gibt es kaum historisches Filmmaterial. Das verwundert zunächst, denn die Engländer haben jedes Lager gefilmt, welches sie betreten haben, besonders Belsen sei hier erwähnt. Der Grund dafür war klar, dass was die Briten dort vorfanden, musste für die Nachwelt erhalten werden, zu barbarisch waren die vorgefundenen Bilder.

Als die Briten jedoch Neuengamme erreichten war das Lager leer. Also kein Grund das Lager zu filmen. Kann sein. Vielleicht wurde das Filmmaterial aber noch nicht wiederentdeckt. Es gibt zwar ein paar wenige Einstellungen aus der Zeit des Internierungslagers, die den Appellplatz zeigen, mehr aber auch nicht. Auch die militärischen Gerichtsverfahren wurden von den Engländern gefilmt; Neuengamme wiederum offenbar nicht, obwohl es eines der größten und zeitlich längsten Verfahren gewesen ist.

Mitte der 50er Jahre kam eine deutsche Filmproduktion heraus, die aus vier Episoden bestand. Sie alle haben irgendwie mit der unmittelbaren Nachkriegszeit zu tun. Kaum jemand weiß allerdings davon, dass Szenen in eine dieser Episoden im ehemaligen KL Neuengamme gefilmt worden sind. Man muss sich allerdings sehr gut auskennen, um die Örtlichkeiten erkennen zu können.

Die erwähnte Episode in dem 1955 entstandenen Film „Heldentum nach Ladenschluß“ ist das erste Kapitel auf der DVD und trägt den Titel „Captain Fox“ und wird in der Hauptrolle von Harald Juhnke gespielt. Das eigentlich ehemals britische Internierungslager wird im Film kurzerhand zu einem amerikanischen Lager.

Die Geschichte des Films ist simpel gestrickt. Ein Internierter will aus dem Lager ausbüchsen, und bedient sich dabei einer einfältigen Methode, indem er mit Captain Fox wettet, dass er es schaffen wird aus dem Lager zu fliehen. Die Schilderung ist so platt wie die Vier- und Marschlande, so dass man damit offenbar, in diesem Fall die Amerikaner, als „dummdödelige“ Bewacher hinstellen wollte.

Gefilmt wurde hauptsächlich beim ehemaligen Industriehof und im SS-Lager.


Freitag, 25. September 2015

Der „Adjutant“, der keiner war

Auch in der Gedenkstättenarbeit gibt es Menschen, die sich fantastischen Geschichten hingeben. Sie schaffen sich ihr eigenes Konstrukt, das nur auf Mutmaßungen basiert, aber nicht auf Tatsachen.

So z.B. bei dem ehemaligen SS-Untersturmführer Edgar Entsberger. Es wird davon ausgegangen, Entsberger wäre Adjutant in Neuengamme gewesen. Dieser Rückschluss ist auf French MacLeans Buch „Camp Men“ zurückzuführen (die Daten zu Entsberger stammen aber nicht aus seiner SSO-Akte, die wohl nicht mehr existiert). Auf einem Foto (datiert auf August 1944), das in „Vernichtung durch Arbeit“, Katalog zur ständigen Ausstellung im Dokumentenhaus (Neuengamme), 1991, auf Seite 195 abgebildet ist, sind drei Personen zu sehen. Zum einen ein britischer Pilot, Henry Dare (s. Anmerkung weiter unten), und zum anderen, ein Adjutant, zu erkennen an seiner Achselschnur (auch „Aiguilette“ genannt, oder nonchalant „Affenschaukel“) und im Rang eines Obersturmführers der Waffen-SS, sowie ein weiterer Uniformträger von der Luftwaffe oder SD.

Dieses Foto ist Teil der Grundlage einer märchenhaften Annahme, dass es sich bei dem Adjutanten um Entsberger handelt. Derartige Behauptungen gab es vor Erscheinen des Buches von MacLean nicht. Das erwähnte Foto entstand im Garten des SS-Lagers. Die Überstellung an das KL Neuengamme diente offenbar dem Zweck der Liquidierung des Piloten. Indizien weisen zwar darauf hin, aber Beweise gibt es keine. Es könnte sich hierbei ebenso um eine Abholung des Piloten aus dem Lager gehandelt haben.

Zu diesem Zeitpunkt gab es jedenfalls nur einen Adjutanten in Neuengamme, und das war seit Spätfrühjahr 1943 Karl Totzauer. Daher muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem abgebildeten Obersturmführer nicht um einen Offizier des Lagers Neuengamme gehandelt hat. Vermutlich gehörte er zu dem Personenkreis, die den Piloten an das KL übergeben (oder abgeholt)  haben.

Obendrein gibt es die Aussage des ehemaligen Schutzhaftlagerführers von Neuengamme, Albert Lütkemeyer, der in seinem Verfahren 1947 ausgesagt hat, dass ein gewisser Ernstberger in der Funktion eines Adjutanten an der Erhängung von mehreren polnischen oder russischen Krankenschwestern im Spätsommer 1942 im Lagergefängnis beteiligt war. In diesem Zeitraum war jedoch Richard Baer Adjutant in Neuengamme, der von Zeitzeugen intensiver wahrgenommen wurde als der Lagerkommandant Martin Weiss selbst, wobei letzterer parallel auch kommissarischer Kommandant von Arbeitsdorf gewesen ist. Lütkemeyer ist eine von zwei mir bekannten Quellen, die Ernstberger in einen Zusammenhang zum KL Neuengamme gebracht haben. Auch eine Verwechslung scheint ausgeschlossen, da Lütkemeyer und Baer sich seit langem kannten.

Der damalige aus Halle stammende Häftlings-Lagerschreiber Herbert Schemmel sagte am 20.12.1945 aus, dass ein Obersturmführer Ensberger vom Herbst 1943 bis Anfang 1944 Adjutant in Neuengamme gewesen sei. Diese, wie auch alle anderen Aussagen vor britischen Ermittlern, wurden phonetisch wahrgenommen und niedergeschrieben. Schemmel, der über ein ausgezeichnetes Gedächtnis verfügte, hat sich hier offenbar im Jahr verirrt. Es könnte sich aber durchaus um eine kommissarische Vertretung Baers durch Ernstberger gehandelt haben, obwohl seine eigentliche Stellung zu diesem Zeitpunkt in einem anderen Lager gewesen ist, welches im Herbst 1942 unvollendet geschlossen wurde.

Einen Ernstberger, der 1942 Obersturmführer war, hat es nachweislich gegeben (KL Oranienburg-Dachau-Mauthausen-Arbeitsdorf (das ist seine Verbindung nach Neuengamme)-Gross Rosen), und gehörte eventuell zu dem Überstellungskommando, die die Rot-Kreuz-Schwestern nach Neuengamme gebracht haben. Die Ähnlichkeit dieser beiden Namen hat zu einer Mutmaßung verführt.

Es kann kein Beweis dafür erbracht werden, dass Entsberger dienstlich in Neuengamme tätig gewesen ist. Das ist auch gar nicht möglich, da er vom RFSS bereits 1934 aus der SS ausgeschlossen wurde, wegen Verbrechen im KL Lichtenburg. Dafür erhielt er fünf Jahre Gefängnis. Und eine Rückkehr in die SS war vollkommen ausgeschlossen, denn damit hätte sich nicht nur Himmler blamiert, sondern auch die zu diesem Zeitpunkt strikten Richtlinien der SS außer Kraft gesetzt. Weder Himmler, Eicke noch Hitler, der ja bekanntlich in solchen Dingen das letzte Wort hatte, wollten sich schützend für Entsberger einsetzen.

Aus Dienstaltersliste vom 1.7.1935

Trotz dieser klaren Sachlage erliegt aber dennoch so mancher „Historiker“ einem vermeintlichen Zeitzeugen, der behauptet, dass Entsberger Kommandoführer bei Fallersleben (Volkswagenwerk) im Rang eines Obersturmführers gewesen sei. Das sind zwei Absurditäten, für die eine Klarstellung notwendig erscheint: Entsberger war zu keinem Zeitpunkt Obersturmführer. Und ein Offizier war auch niemals ein Arbeitskommandoführer, bestenfalls Lagerführer o.ä. Auch das trifft nicht zu. (Ernstberger hingegen war in Arbeitsdorf Arbeitseinsatzführer)

Nach allem was bis heute über den ehemaligen Drogisten und späteren Polizisten Edgar Entsberger bekannt geworden ist, machte er nach seinem unehrenhaften Ausschluss aus der SS 1934 und der ab 1936 anschließenden fünfjährigen Haftzeit, eine Ausbildung zum Kaufmann. Im Alter von fast fünfzig Jahren wurde der Leipziger dann 1944 zur Wehrmacht eingezogen (offensichtlich eine Repressalie). Ab diesem Zeitpunkt verliert sich später seine Spur.

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Henry William Julius Dare war ein 29jähriger Flight-Lieutenant der freiwilligen Fliegerreserve der 405. Schwadron der Royal Air Force. Sein Todesdatum wird offiziell mit dem 3. August 1943 angegeben, also ein Jahr früher, als wie es im Ausstellungskatalog (s.o.) angegeben ist.

Bei diesem Piloten könnte es sich um jenen handeln, der sich an der Brookwetter in Bergedorf in einem Baum mit seinem Fallschirm verfangen hatte, und der von einem ansässigen Kohlenhändler misshandelt wurde. Die Polizei konnte den 37jährigen späteren Volkssturmmann nach Kriegsende in Gewahrsam nehmen; er wurde in Neumünster interniert. Ob er für sein Handeln zur Rechenschaft gezogen wurde, ist mir nicht bekannt.

So lange die Gedenkstätte Neuengamme in dieser Sache nicht für Aufklärung sorgt, kann es sich natürlich auch um jeden anderen Piloten der R.A.F. gehandelt haben. In der Literatur gibt es eben nur den oben erwähnten spärlichen Hinweis, der aber seit dem nie wieder aufgegriffen wurde.

Mittwoch, 9. September 2015

Befreiung oder Evakuierung?

Wenn es eine unerschütterbare Tatsache zum ehemaligen KL Neuengamme gibt, dann ist es das Fakt, dass dieses Lager NICHT befreit wurde. Eigenartigerweise ist das aber offenbar nicht jedem klar. Denn selbst die Gedenkstätte Neuengamme ist dabei etwas wankelmütig, wenn sie in ihrem aktuellen Ausstellungskatalog immer noch von einer Befreiung spricht; gleichfalls wie auf einer Schautafel beim Mahnmal.

Das KL Neuengamme ist das einzige Lager auf deutschem Boden gewesen, das nicht befreit wurde. Dafür gab es eigentlich keinen besonderen Grund. Es lag einfach an der geografischen Lage. Dieses am nordwestlichsten gelegene Konzentrationslager hatte die meiste Zeit um es vor erreichen der Alliierten zu räumen. Die Räumung begann Mitte April 1945 und war umgeben von mehreren scheußlichen Kriegsverbrechen.

Wann aber erreichte die britische Armee das Konzentrationslager Neuengamme?
Leutnant Charlton, ein Spähtruppführer im 53. Recce (Reconnaissance) Regiment, der als erster das geräumte Lager betrat, machte 1945 vor dem Ermittler Captain Freud eine schriftlich niedergelegte Aussage, die für den anstehenden ersten Prozess gegen Personal des KL Neuengamme als Beweisstück verwendet wurde. In dem Prozess sollte Charlton auch persönlich seine Aussage machen. Das Gericht hat dann aber auf sein Erscheinen verzichtet.

Charlton gab zu Protokoll: “Ich erreichte das Lager am Morgen des 5. Mai. So weit mir bekannt, war ich der erste alliierte Offizier der in dem Lager ankam.” Charlton schloss seine Aussage mit dem Satz: “Ich blieb vom 5. bis 9. Mai 1945 im Lager, und übergab es dann der Korpsführung, die es im Anschluss zu einem Kriegsgefangenenlager organisierte.”

Diese Aussage steht im Widerspruch zum Kriegstagebuch des militärischen Geheimdienstes. Dort ist vermerkt, dass das Lager Neuengamme am 2. Mai leer vorgefunden wurde. Diesen relevanten Teil des Kriegstagebuchs kann jedermann bei der Gedenkstätte Neuengamme selbst in Augenschein nehmen, und zwar an einer Schautafel an der Restmauer des ehemaligen Gefängnisses, in unmittelbarer Nähe zum Klinkerwerk - oder im Offenen Archiv.

Diese o.g. Fakten sind seit langem bekannt. Dennoch scheint es schwierig zu sein (was es auch ist) sich auf ein verlässliches Datum zu einigen. In der Literatur findet man beide Daten, manchmal auch den 4. Mai.

Die Lagergemeinschaft Neuengamme zitierte bereits 1960 in “So ging es zu Ende” das Charlton-Dokument. Detlef Hoffmann verweist ebenfalls in “Das Gedächtnis der Dinge/KZ-Relikte und Denkmäler” (1998) auf den 5. Mai für das Erreichen der Engländer im Lager, wie auch Katja Hertz-Eichenrode in “Ein KZ wird geräumt” (2000). Und Stefan Ineichen verweist weiterhin auf dieses häufig unbeachtete Datum in “Cap Arcona 1927-1945/Märchenschiff und Massengrab” (2015), sowie in einem subjektiven Zusammenhang zu den Verstrickungen des Unternehmens Oetker in der NS-Zeit (“Die Oetkers” von Rüdiger Jungbluth, 2004). Selbst der Hamburger Senat nimmt in einer Pressemitteilung von 2002 Bezug auf den 5. Mai. Die Gedenkstätte Neuengamme hingegen, wie bereits erwähnt, aktuell (2014) manifestiert den 2. Mai; dito Detlef Garbe in “Neuengamme im System der Konzentrationslager” (2015). Das ist ein kleines Wunder, denn 2002 vertrat Herr Garbe noch den 5. Mai! Es findet sich in der gesamten Neuengamme-Literatur also kaum ein Bezug zu der Aussage von Leutnant Charlton.

Es zeugt aber auch von einer gewissen Naivität zu glauben, dass wenn das Lager Neuengamme von der SS am 2. Mai 1945 endgültig (samt Häftlings-Restkommando) verlassen wurde, am gleichen Tag, nur wenige Stunden später, die britische Armee das Lagerareal erreicht haben soll.

Das deutlichste Indiz, das gegen das Erreichen der Engländer am 2. Mai 1945 spricht, ist die Aussage des ehemaligen Adjutanten von Neuengamme, Karl Totzauer. Auf die Frage des Rechtsanwalts Dr. Müller am 8. April 1946 im Neuengammer Hauptprozess, wann Totzauer das KL endültig verlassen habe, antwortete der Zeuge: “Ich rückte am 2. Mai gegen 10 Uhr abends ab.”

In den Kriegswirren Anfang Mai 1945 ist es auch wahrscheinlich, dass ein Übertragungsfehler in den militärischen Meldungen stattgefunden hat, bzw. bei der Übertragung der handschriftlichen Angaben in eine maschinegeschriebene Form.

Dienstag, 1. September 2015

Würdelose Gier

Ist es vom menschlichen Verständnis her vertretbar, wenn so genannte antiquarische Zeitdokumente zu Höchstpreisen verhökert werden, obwohl es sich dabei wissentlich um Dokumente von Menschen handelt, die sie nur aufgrund des ihnen entstandenen Leids verfasst haben?

In Antiquariaten tauchen immer wieder Zeitdokumente auf, die zu horrenden Preisen angeboten werden. Wie z.B. in Hamburg ein solcher Händler einen Brief eines KZ-Häftlings aus Neuengamme von 1941 anbietet. Dafür werden mal eben €100 verlangt (zur Erinnerung, das entspricht etwa 200! Mark).

Schlimmer wiegt aber vielleicht noch mehr, dass dadurch dieser ehemalige Häftling öffentlich zur Schau gestellt wird.


Das ist aber kein Einzelfall. Vor allem in den USA wird mit originalen Zeitdokumenten aus der NS-Zeit ein reger Handel betrieben. Diese vermeintliche "Kriegsbeute", die im großen Umfang von amerikanischen GIs "gestohlen" wurden, sind immer noch lukrative Einnahmequellen. Selbst der damalige Chefankläger bei den Nürnberger Prozessen, Robert Kempner, hat tonnenweise Dokumente nach sein zweites Zuhause in Amerika verbracht.

In Deutschland sollten seriöse Antiquariate vielleicht von vornherein einen anderen Weg suchen, indem sie derartige Artefakte den Gedenkstätten direkt (zu moderaten Preisen) anbieten. Damit wäre dann zumindest die Identität der betreffenden Person einigermaßen gewahrt. Das wird aber wahrscheinlich Utopie bleiben.

Die Würde eines Menschen ist eben doch antastbar.


Der Geruch des Gewinns ist gut, woher er auch kommt
(Publilius Syrus)

Freitag, 28. August 2015

Der Arbeitskreis Kirchliche Gedenkstättenarbeit bei der Gedenkstätte Neuengamme

Vor mehreren Jahrzehnten, als der aus Ostpreußen stammende Pastor Köhler nach Neuengamme versetzt wurde und entsetzt feststellen musste, dass es in seiner beschaulichen Dorfgemeinde Neuengamme einst ein Konzentrationslager gegeben hat, kam er zu der Überlegung etwas für die Aufarbeitung dieses Kapitels zu tun - so entstand dann dieser “Arbeitskreis”.

Es liegt immer an den Menschen selbst, je nach dem wer die Verantwortung trägt, ob sich etwas Gutes aus einer Sache entwickeln kann, oder nicht. Der z.Zt. verantwortliche Pastor dieses “Arbeitskreises” ist Hanno Billerbeck, seit 2011 ist er in Neuengamme tätig, und er ist ebenso verantwortlich für die ehrenamtlichen Tätigkeiten der Mitarbeiter.

Nun hat allein das Wort “Arbeitskreis” ein mächtiges Gewicht. Man könnte meinen, dass die Leute, die sich dort “engagieren” wirklich etwas bewegen könnten. Aber das ist leider weit gefehlt. Das “Engagement” dieser Menschen, dessen Alter sich fast ausschließlich jenseits von “ick bin uf Rente” bewegt, ist gleich null. Vor allem geht es diesen Leuten um ihre Langeweilebewältigung, aber nicht um Aufrichtigkeit gegenüber dem Ort des ehemaligen KZ und der damit verbundenen Zwangsarbeit. Diese Form von Opportunismus hat in der Gedenkstättenarbeit keinen Platz.

In der heutigen Zeit ist es nahezu ausgeschlossen, junge Menschen für eine ehrenamtliche Aufgabe in der Gedenkstättenarbeit zu gewinnen. Es ist praktisch genau so wie bei der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes). Denn bei diesen selbsternannten “Anti-Faschisten” herrscht das gleiche Problem der Requirierung von Mitmachern. Das was in den 70er und 80er Jahren praktisch eine “Pflicht” der Jugend war, sich im vermeintlich anti-faschistischen “Kampf” zu engagieren, ist heutzutage nicht mehr möglich. Die Verhältnisse  haben sich grundlegend verändert.

Das einzige was dort in diesem “Arbeitskreis” mehr oder weniger gemacht wird, ist das Angebot für Besucher, eine sonntägliche Führung über das Gedenkstättengelände zu erhalten.

Das Problem, das dieser “Arbeitskreis” hat, ist die Selbstgefälligkeit einiger Mitarbeiter, die den Besuchern haarsträubende Geschichten erzählen. Weil sie glauben so oder so müsste es damals gewesen sein. Das ist unseriös und zeugt nicht gerade von einer gesunden Einstellung zur Gedenkstättenarbeit. Dem Besucher werden fragwürdige Informationen weitergegeben, von denen die Gedenkstätte Neuengamme wahrscheinlich keinen Schimmer hat. Da es aber auch um das Ansehen der Gedenkstätte Neuengamme geht, sollte sie sich auch dafür interessieren. So lange das nicht geschieht, wird weiterhin Irrsinniges verbreitet.

Und dann kommt schon das nächste Problemchen; denn die Mitarbeiter des “Arbeitskreises” sind auf sich allein gestellt. Von seiten der Gedenkstätte Neuengamme gibt es nämlich keinerlei Unterstützung. Keine thematischen Schulungen, die den Mitarbeitern helfen könnten bestimmte Zusammenhänge besser zu verstehen, und vor allem sie dem Besucher angemessen zu vermitteln. D.h. die Ehrenamtlichen müssen sich alles selbst erarbeiten; dass aber genau dadurch ein größeres Defizit an Authenzität entsteht, liegt auf der Hand.

Der nicht kritikfähige Pastor Billerbeck ist nicht in der Lage Abhilfe zu schaffen, weil es ihn überfordert. Das Hauptinteresse gilt seinem eigenen narzisstischen Ego. So lange der Spendenbeutel klingelt, wird sich zugunsten der Mitarbeiter (und den Besuchern) auch nichts verbessern, zumal die rückläufigen Besucherzahlen weder für seine “Arbeit” noch für seine “Motivation” sprechen.

Wer sich freiwillig in der Gedenkstättenarbeit einbringen will, der sollte diesen “Arbeitskreis” in Neuengamme besser meiden; es wäre vergeudete Zeit. Außerdem kann es schwierig werden, wenn man nicht den gleichen Glauben teilt, oder gar nicht in der Kirche ist. Dann zeigt sich das wahre Gesicht dieser Gemeinschaft. So ist es nämlich vor einiger Zeit einem ehrenamtlichen Mitarbeiter ergangen, der von diesem “Arbeitskreis” ausgeschlossen wurde (gleichwohl in einer diktatorischen Form), weil der Pastor mit dessen unablässigem Engagement nicht zurecht gekommen ist. Und das ganze erfolgte mit Zustimmung der Pröpstin der Evangelisch-Lutherischen Kirche Hamburg Ost.

Dieser Pastor hat weiterhin in seinem Wahn dafür gesorgt, dass der ausgeschlossene Mitarbeiter gänzlich in der Gedenkstättenarbeit in Neuengamme ausgegrenzt wird. Die evangelische Kirche macht eben auch vor Diskriminierung nicht halt.

Das einzig erfreuliche an Pastor Billerbeck ist, dass seine Zeit in Neuengamme abläuft. Amen.

Montag, 13. Juli 2015

Tag des Offenen Denkmals am 13.9.2015

Eigentlich eine gute Idee, dem interessierten Besucher der Gedenkstätte Neuengamme, das Klinkerwerk etwas näher zu bringen, mit einer “Führung” durch das Werk. Eigentlich.

Wäre da nicht diese böse Erinnerung an eine ähnliche Veranstaltung vor nicht allzu langer Zeit. Am 12. April 2014, während der Langen Nacht der Museen, wurde ebenfalls großschnäuzig eine Führung durch das ehemalige Klinkerwerk des KL Neuengamme angekündigt. Der “Führer”, Dr. Reimer Möller, der Leiter des Archivs, lamentierte zwar viel, aber über das Klinkerwerk hat man praktisch wenig erfahren können.

Wenn die Rede davon ist, eine Führung DURCH das Klinkerwerk zu machen, dann sollte es auch genau so stattfinden. Herr Möller ging zwar seinerzeit gute 20 Meter ins Klinkerwerk hinein und hielt dort seine Monologe. Aber die einzelnen Bereiche des Werks, wovon es schließlich einige gibt, die haben die Besucher nicht zu Gesicht bekommen. Warum wohl nicht?

Es wäre nämlich ein äusserst peinliches Ereignis, wenn die Besucher des Klinkerwerks dort mit einer Situation konfrontiert worden wären, für die Dr. Möller dann hätte vor Scham im Boden versinken müssen. Also hat man es erst gar nicht getan. Das Klinkerwerk ist nämlich eine furchterregende Müllhalde geworden. Dort stehen Autos herum, in denen wahrscheinlich auch noch Benzin ist, ganz davon zu schweigen, das Autos im Klinkerwerk rein gar nichts verloren haben. Tonnenweise Gerümpel von verschiedenen Hamburger Behörden, die man aussondiert hat, und die auch in 100 Jahren dort immer noch das Klinkerwerk verschandeln werden. Riesige Berge von Feuerholz finden sich dort; wehe dem wenn Jugendliche mal wieder ins Werk einsteigen und das anzünden sollten. Ausrangierte Sitzbänke der Bergedorfer St. Marien Kirche sind dort ebenso zu finden. Sogar zahlreiche Propangasflaschen stehen bereit um irgendwann zu explodieren. Was soll dieser Mist? Haben die Verantwortlichen überhaupt keinen Anstand für diesen mit viel Leid verbundenen Ort?





Einige Menschen, die das Klinkerwerk besichtigen konnten, stehen fassungslos vor diesem Gerümpel, und können es einfach nicht glauben, wie verächtlich die Hansestadt Hamburg mit diesem Gebäude umgeht. Sie haben vollkommen recht.

Man könnte das Klinkerwerk ganz wunderbar für Besucher herrichten. Ein wenig Strom, ein wenig Licht, ein wenig saubermachen, und die Besucher würden das als eine sehr dankbare Ergänzung empfinden. Denn Gebäude sind in Neuengamme i.d.R. nicht zu besichtigen; weder die Luftschutzbunker, den einzig noch erhaltenden Wachturm, das Kommandantenhaus, das Hammerwerk. Insofern wäre gerade das Klinkerwerk, welches das effizienteste Arbeitskommando gewesen ist, und damit immense Zwangsarbeit, eine Bereicherung für das Besucherangebot der Gedenkstätte Neuengamme, zumal dadurch wohl auch die Besucherzahlen erheblich ansteigen würden.

Samstag, 11. Juli 2015

Verfehlte Aufklärung … Kaninchenstall - Heizwerk

 
Die meisten Besucher der Gedenkstätte Neuengamme erkunden das Gelände selbständig. Dafür hat man an zahlreichen Orten, die einer Erklärung bedürfen (was eigentlich immer zutrifft), Schautafeln mit textlichen Informationen aufgestellt. Diese Texte sind zwar nicht besonders ausführlich, sie vermitteln aber zunächst um was für einen Ort es sich handelt.

Nun gab es im ehemaligen Konzentrationslager eine Reihe von (Zwangs)Arbeitsstätten, auf die besonders hingewiesen werden muss. Beim Klinkerwerk hat die Gedenkstätte das einigermassen hingekommen, indem sie im Ostflügel eine Reihe von Schautafeln aufgestellt hat, die den Sinn und Zweck des Klinkerwerks, und die damit verbundene Zwangsarbeit vermitteln soll.

Allerdings gibt es auch Orte die überhaupt nicht erklärt werden, obwohl sie ein wesentlicher Bestandteil des Lagers gewesen sind. Dazu zählt die Kaninchenaufzucht ("Kommando Kaninchenstall"), die seit etwa 1940-41 außerhalb des eigentlichen Schutzhaftlagers in einem U-förmigen Gebäude untergebracht war. Heute sieht man dort nur eine grüne Wiese. Kein Hinweis, keine Schautafel, gar nichts. Hier muß die Frage gestattet sein, was die Gedenkstätte Neuengamme an ihrem Auftrag einer plastischen Darstellung des ehemaligen Lagers nicht verstanden hat?

Der genaue Standort ist zwischen Krematorium und Hauptausstellungsgebäude, direkt am ehemaligen Feuerlöschgraben nach Westen.





Das ehemalige Waltherwerk ("Fertigungsstelle Metallwerk") hatte ein eigenes Heizwerk. Heute stellt es sich als ein unscheinbares Gebäude dar, weil der ehemalige Schornstein schon lange nicht mehr vorhanden ist. Dennoch ist es ein Ort der Zwangsarbeit; sogar ein Ort des Todes. Denn Ende August 1944 wurde dort der 44jährige deutsche Häftling Wilhelm Kreutzer, der dort als zuverlässiger Heizer gearbeitet hat, von dem notorischen SS-Spitzel Walter Kümmel fast totgeschlagen, so dass der Häftling seinen schweren Verletzungen kurze Zeit später erlag. Kümmel wurde dafür nie juristisch belangt. Und für diesen grausamen Ort hält es die Gedenkstätte Neuengamme nicht für nötig einen Hinweis anzubringen? Herr Dr. Garbe schämen Sie sich eigentlich nicht?! Auch nach 25 Jahren als Direktor der Gedenkstätte Neuengamme haben Sie nicht begriffen, was seriöse Gedenkstättenarbeit ist.

Mittwoch, 1. Juli 2015

Detlef Garbe und das Unverständnis historische Fotos zu interpretieren


Das obige Foto ist abgedruckt in Garbes Buch “Neuengamme im System der Konzentrationslager”, in der Reihe Neuengammer Kolloquien Band 5, Seite 231 (2015).

Der Bildunterschrift zufolge soll es sich bei der Frau um Max Paulys Schwägerin Leni H. handeln. Das ist falsch.
Das ist seine Ehefrau Käte. Die Aufnahme kann auch nicht Anfang 1945 entstanden sein. Die Frau trägt ein kurzärmliges Sommerkleid (im Winter 1944-45!). Pauly trägt die Sommeruniform der Waffen-SS. Und Paulys Dienstgrad ist eindeutig Sturmbannführer, und nicht Obersturmbannführer, wie es die Bildunterschrift fälschlich darlegt (seine Beförderung zum Ostubaf erfolgte erst 1945. Der gleiche Fehler ist auch im Buchtext repliziert). Des weiteren sind blühende Blumen im Beet zu sehen. Nach Winter sieht es ebenso wenig aus und kalt scheint es auch nicht zu sein, nirgends ist Schnee zu sehen. Käte Pauly hat sich vertraut bei Ihrem Ehemann eingehakt. Die Aufnahme stammt definitiv aus dem Jahr 1944, als die Schwangerschaft von Paulys Ehefrau noch nicht wirklich erkennbar war.

Ist das jetzt seriöse Wissenschaft?

Die Gedenkstätte Neuengamme hat ein ziemlich großes Talent oberflächlich zu sein. Wer sich den aktuellen, 2014 erschienenen zweibändigen Ausstellungskatalog, einmal genauer anschaut, der kann zahlreiche Fehler entdecken. Welchen Zweck der Lektor Herr Schlichting bei dieser Publikation erfüllt hat, ist mir schleierhaft. Seriöse Wissenschaft geht anders.

Und auch das oben erwähnte aktuelle Buch von Dr. Garbe enthält nicht nur historisch falsche Angaben, sondern auch einige Satzfehler, für die wiederum der gleiche Lektor verantwortlich zeichnet.