16. Oktober 1941. Es ist kalt. Es regnet. An diesem Tag marschiert eine riesige Kolonne von russischen Kriegsgefangenen über den Neuengammer Hausdeich in Richtung des Konzentrationslagers Neuengamme. Die Gefangenen marschieren entlang des Heerwegs durch das Haupttor des Lagers über den gerade erst betonierten Appellplatz zu zwei Baracken am nordöstlichen Ende des Schutzhaftlagers. In den Baracken befindet sich kein Mobiliar. Die Fenster sind vernagelt. Die Baracken sind gesondert mit Stacheldraht umzäunt. Es wird als „Kriegsgefangenen-Arbeitslager“ bezeichnet.
Die Lebensbedingungen sind katastrophal. Es wird eine kleine Ambulanz eingerichtet, in der deutsche Häftlinge versuchen, den Kriegsgefangenen so gut es geht zu helfen. Der Überlebenskampf ist aussichtslos. Fast jeden Tag sterben Menschen. Sie sterben wegen Krankheit, an Fleckfieber, an Hunger und an der schweren Arbeit, zu der einige von ihnen gezwungen werden. Ein Drama, dass sich über acht Monate erstreckt. Ende Juni 1942 sind 652 von den Kriegsgefangenen tot.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf dem späteren, nördlich gelegenen neuen Bergedorfer Friedhof, auf Veranlassung der damaligen britischen Militärregierung, auf einer kleinen Anhöhe, ein gesonderter Friedhof eingerichtet. Ein spartanisch anmutender Ort. Ein kleiner Hügel mit einem größeren hölzernen Kreuz, sollte darauf hinweisen, dass hier Menschen verschart wurden. Dieser Friedhof war in seinen Grenzen ein abgezäunter Bereich, noch bevor es dort überhaupt einen Friedhof gegeben hat.
Jahre später wurden auf diesem Friedhof 651 Steine platziert, die die Namen und Daten von russischen Kriegsgefangenen trugen, die im Konzentrationslager Neuengamme zu Tode gekommen sind. Das ist allerdings nicht die ganze Wahrheit. Dieser Ort hat eine andere Geschichte zu erzählen.
Neben den Kriegsgefangenen in Neuengamme gab es auch eine größere Zahl von russischen Kriegsgefangenen, die in verschiedenen Betrieben in Bergedorf und Umgebung zum Zwangsarbeitereinsatz gekommen sind. Viele von ihnen sind ebenfalls in dem Zeitraum Oktober 1941 bis Mitte 1942 gestorben.
Auf dem heutigen, so genannten „Russischen Ehrenfriedhof“ in Bergedorf, befinden sich deshalb zwei unterschiedliche Gruppen von russischen Kriegsgefangenen.
Die historische Geschichte zu diesem Ehrenfriedhof bezieht sich aber ausschließlich auf die Kriegsgefangenen aus Neuengamme, die auf einer Bronzetafel an diesem Friedhof manifestiert wurde. Diese Darstellung der Ereignisse ist aber historisch nicht richtig und muss korrigiert werden. Es ist deshalb notwendig, weil mehr als einhundert der Neuengammer Kriegsgefangenen auf diesem Ehrenfriedhof nicht vorhanden sind - die Anerkennung ihres Schicksals und das Gedenken an sie ist damit nicht möglich.
Leider verhält sich die Gedenkstätte Neuengamme zu diesem Thema merkwürdig destruktiv. Der Direktor der Gedenkstätte Neuengamme, Dr. Detlef Garbe, weist jede Verantwortung von sich, obwohl diese Menschen ein elementares Kapitel in der Geschichte von Neuengamme darstellen, da es hier um ein völkerrechtliches Verbrechen geht, und die Gedenkstätte sich deshalb ihrer Verantwortung für diese Menschen nicht entziehen kann.
Nutzen Sie Ihr bürgerliches Grundrecht und protestieren Sie für eine Korrektur der Geschichte, damit auch den Ungenannten Toten ein Raum des Gedenkens zuerkannt werden kann.
Schreiben Sie bitte an:
detlef.garbe@kb.hamburg.de
arne.dornquast@bergedorf.hamburg.de (Bezirksamt Bergedorf)
oktavia.christ@volksbund.de
bfkg@list.ru (Russische Botschaft Berlin; Büro für Kriegsgräberfürsorge und Gedenkarbeit)
Samstag, 29. September 2012
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